Corona nimmt nun Fahrt auf
Autor: Tobias Kindermann
Lichtenfels, Donnerstag, 26. März 2020
Innerhalb von zwei Tagen sprang die Zahl der Infektionen von 27 hoch auf 46. Das ist beunruhigend, war aber zu erwarten.
Es war Freitag, der 13. März, als Corona auch im Landkreis Lichtenfels ankam. An diesem Tag meldete das Landratsamt den ersten bestätigten Infektionsfall.
Seitdem steigen auch hier die Zahlen an, moderat wie es scheint. Doch der Eindruck täuscht, auch um diese manchmal etwas abgeschieden wirkende Region macht der gefährliche Lungenvirus keinen Bogen.
Der Gottesgarten am Obermain ist keiner, wenn es um dieses Thema geht. Von Dienstag auf Donnerstag gab es einen Sprung von 27 auf 46 Infizierte. Noch wichtiger als dieser Anstieg ist aber die Art und Weise, wie er zustande kam. 46 erscheint immer noch niedrig und manche mögen es sich schönreden wollen, indem man auf Dunkelziffern, Zeitverzögerungen in den Testlabors hinweist und sagt, nun würde das alles herauskommen.
Doch das Problem ist anders gelagert. Die Ausbreitung solcher Epidemien folgt einer exponentiellen Funktion. Die sich daraus ergebende Dynamik zu erkennen, überfordert das Vorstellungsvermögen der Menschen und auch der Politiker. Das führt dazu, dass solche Ereignisse falsch eingeschätzt werden. Welche fatalen Folgen das haben kann, erlebt man in vielen Ländern. Das verharmlosende Verhalten des amerikanischen Präsidenten Donald Trump kann hier als Beispiel dienen. Er hat sich bis heute noch nicht ganz mit der Gesetzmäßigkeit dieser mathematischen Regel anfreunden können. Denn selbst Menschen, die ihm aus vielen Gründen ablehnend gegenüberstehen, werden wohl nicht so weit gehen, ihm einen vorsätzlichen Mord am eigenen Volk zu unterstellen.
Man hat es hier mit einem mühsamen Lernprozess zu tun. Es dauerte lange, bis auf breiter Ebene in vielen Redaktionen erkannt wurde, dass man mit der reinen Nennung von Fallzahlen pro Bundesland dem Leser zwar Informationen gibt, aber eine richtige Einordnung erschwert.
Zum einen muss man die Zahl der Corona-Verdachtsfälle in Relation zur Einwohnerzahl setzen. Stadt und Landkreis Bamberg etwa weisen seit Beginn an deutlich höhere Infektionszahlen auf, doch leben hier grob gesagt etwa dreimal so viele Menschen. Das bedeutet: Wenn in Lichtenfels zehn Menschen infiziert sind, können es im Bamberger Raum 30 sein, ohne dass hier eine tatsächlich höhere Fallzahl vorliegt. So blieb etwa lange unbemerkt, dass im Ländervergleich eine Zeitlang Hamburg vom Corona-Virus stärker betroffen war als Bayern.
Auch der Anstieg der Zahlen kommt für Menschen mit erweitertem mathematischen Gespür alles andere als überraschend. Dabei gilt es zunächst erst einmal, einem Argument entgegenzutreten: Man habe ja keine belastbare Zahlenbasis, es werde unterschiedlich erfasst, teilweise vielleicht auch aus politischem Kalkül einiges verschwiegen. Tatsächlich erscheint es im Augenblick so, als wollten sich hier vor allem die Russen hervortun. In der von der Johns Hopkins University geführten Statistik, einer privaten Universität im US-Staat Baltimore, tauchen für Russland gerade mal 658 Fälle und drei Tote auf (Stand: 26. März, 12 Uhr). Das erscheint nun doch recht wenig, wenn selbst Island rund 100 Infizierte mehr meldet. Diese Taktik muss scheitern: Tatsächlich rief Russlands Präsident Wladimir Putin am Donnerstag einen nationalen Notstand aus und schickte seine Landsleute für eine Woche in Quarantäne.