Druckartikel: Brote vermitteln Heimatgefühl

Brote vermitteln Heimatgefühl


Autor: Ramona Popp

Lichtenfels, Donnerstag, 15. August 2019

Die Lichtenfelserin Silke Tyler wanderte 1991 in die Vereinigten Staaten aus. Dort baute sie ein Unternehmen auf, das viel mit ihrer Herkunft zu tun hat.
Silke Tyler in ihrem Geschäft in Clarksville/Tennessee Foto: Annemarie Henry


Der Name des Unternehmens sagt schon (fast) alles: "Silke's Old World Breads". Old World, Alte Welt, werden die Kontinente genannt, die vor der Entdeckung Amerikas bekannt waren. Amerikaner nennen so auch Europa. Breads sind die Brote, und Silke ist Silke Tyler, die als Silke Boche in Lichtenfels aufwuchs. Dort lernte sie in der Disco "Old German" ihren Ehemann Tim kennen, als dieser bei der Army war. 1988 wurde geheiratet, 1991 zogen sie in die USA. In der Neuen Welt, genauer: in Clarksville/Tennessee, gründete die Auswanderin im Jahr 2000 "Silke's Old World Breads", eine Bäckerei mit Café und "Deli".

Am beliebtesten seien allgemein die Sauerteigbrote, die sie ohne zusätzliche Hefe machen, das "Rustic Rye" in der Art eines deutschen Roggenmischbrotes, ein Mehrkornbrot, Kastenbrote und natürlich auch die Brezeln. Neben dem eigenen Betrieb verkaufen oder servieren über 30 Restaurants in Clarksville und Nashville ihre Backwaren. Unter den Kunden sind Deutschstämmige, die das Brot ihrer Heimat vermissen, außerdem viele Amerikaner, die in Deutschland stationiert waren. Im Café wird neben Gebäck deutsches Essen wie Schnitzel, Bratwurst, Currywurst und Leberkäse angeboten. Die Fleischwaren dafür beziehen die Tylers von Stiglmeier in Illinois, ein von bayerischen Auswanderern gegründetes Unternehmen, das sich ebenfalls der alten Heimat und traditionellen Handwerkskunst verpflichtet fühlt. Es stehen aber auch viele vegetarische und vegane Gerichte und Backwaren auf der Karte - nicht zuletzt deshalb, weil Silke Tyler selbst seit 24 Jahren Vegetarierin ist. Neben den Broten und Brötchen fertigen sie auch typisch deutsche süße Sachen wie Schwarzwälder Kirschtorte und Bienenstich nach ursprünglichen Rezepten. Das Backen hat sich Silke Tyler selbst beigebracht ("durch Bücher und viel üben"). Es fallen in dem Zusammenhang auch die Namen zweier Bäcker aus Lichtenfels - Söllner und Schedel. Ihr Wissen gab die Autodidaktin dann an ihre Mitarbeiter weiter - "jetzt lehren sie sich gegenseitig".

Zuerst hatte die Lichtenfelserin eine andere Art von kreativer Arbeit für sich im Sinn: In Nürnberg hatte sie Kunst studiert, dann als Grafikdesignerin gearbeitet, Kinderbücher und Kalender illustriert. Noch immer ist sie künstlerisch aktiv, fotografiert und malt. Eines ihrer Aquarelle hat sie nun im eigenen Café aufgehängt. Es zeigt die Bahnhofstraße in Lichtenfels - "als Verbindung zu meiner Heimat", wie sie sagt. Kontakte zu Familie und Freunden in Deutschland werden gepflegt, auch wenn man sich nicht so oft persönlich sehen kann. Auf ihre Herkunft angesprochen werde sie auch nach 28 Jahren in Amerika immer noch ab und zu. Den Akzent höre man einfach, weiß sie.

Genuss-Export ist keine Seltenheit. Mit vertrauten Speisen und Getränken verbinden viele Menschen Gedanken an ein anderes Land, manche an das, dem sie ihre Wurzeln zuordnen. Silke Tyler sagt, die Bäckerei sei ein Weg gewesen, Erinnerungen der einstigen in die jetzige Heimat zu bringen. Ein Stück Nostalgie auch. "Es ist so schön, zu sehen, wie viele Menschen wir damit jeden Tag glücklich machen", schildert sie, "besonders um die Weihnachtszeit, wenn wir Stollen, Lebkuchen, Haselnuss- und Butterplätzchen und andere Weihnachtssachen haben."