Baustellen in Lichtenfels: Stadträte im Untergrund
Autor: Ramona Popp
Lichtenfels, Dienstag, 27. Oktober 2015
Vor der Sitzung des Lichtenfelser Stadtrates im Rathaus war festes Schuhwerk gefragt: In der Köst ener Straße wagten bei einer Baustellenbesichtigung einige den Abstieg in acht Meter Tiefe, um einen seltenen Blick auf eine Millioneninvestition zu werfen.
Nächste Woche würde man beim Hinuntersteigen in den acht Meter tiefen Schacht mindestens nasse Füße bekommen, denn dann soll das Regenüberlaufbecken (RÜB) schon in Betrieb gehen. Die Schaltanlage ist bereit, nur mit Folie abgehängt, weil das Dach des Häuschens noch nicht gedeckt ist. Dicht umlagert auf diesem engen Raum erläutert Bernd Müller vom Ingenieurbüro Schneeberg & Kraus die Planung. Man liege gut im Zeitplan. Ob allerdings die Vollsperrung der Köstener Straße Ende des Monats aufgehoben werden kann - dahinter steht noch ein Fragenzeichen. Der Straßenneubau ist aufwendig, damit verbunden ist eine Verbreiterung des Geh- und Radweges - wenn schon, denn schon. Es kommt nun auch darauf an, dass das Wetter mitspielt.
Für die Baustellenbesichtigung am Montag hätte es nicht besser sein können. Ein Großteil der Stadträte ist da, auch einige Anwohner. Ihnen wird ein letzter Blick auf die im Erdreich versenkte Investition ermöglicht. Ein erheblicher Aufwand, aber dringlich, wie Bürgermeister Andreas Hügerich (SPD) zusammenfasst. Im Bereich der Mainbrücke habe es in den vergangenen Jahren im Kanalsystem immer wieder Probleme mit Rückstau gegeben.
"Mit dieser Maßnahme schaffen wir eine Entlastung", sagt Stadtbaumeister Jürgen Graßinger und vergleicht das Prinzip des RÜBs mit einer Badewanne, die gefüllt und das Wasser dann langsam wieder abgelassen wird. Zu viel läuft durch den Überlauf hinaus. "Hier ist es genauso. " Das Becken sind eigentlich riesige Rohre, größere gibt es in Deutschland nicht. Schmutzwasser aus der Kanalisation werde darin mit einem hohen Anteil Regenwasser vermischt und an die Kläranlage weitergegeben. Bei sehr starken Regenfällen und der entsprechenden Verdünnung kann es sein, dass eine gewisse Abgabe in den Main erfolgt. Das Einzugsgebiet umfasst mehrere Stadtteile vom Stiftsland bis Schney, die Aufnahmekapazität von 1,8 Mio. Litern ist beachtlich, aber: "Eine Sintflut bringen wir hier nicht unter", sagt Graßinger und erinnert Hausbesitzer, sich darum zu kümmern, dass Rückstauklappen funktionstüchtig sind.
Weitere Themen, die den Stadtrat beschäftigten
Schöner Spielplatz: An der Breslauer Straße wird ein parkähnlicher Spielplatz entstehen, der für Groß und Klein eine Bereicherung sein dürfte. Der Stadtrat genehmigte die Planung; die Kosten sind mit bis zu 100 000 Euro veranschlagt, davon 47 000 Euro für Spielgeräte wie eine 30 Meter lange Seilbahn und eine acht Meter hohe Kletterpyramide. Auch ein Barfußpfad und ein Wasserspielbereich sollen auf dem zirka 3000 m 2 großen Areal entstehen. Der bisherige Spielplatz dort ist an die 30 Jahre alt.Kanalisation in Lahm: Mit den Arbeiten für die Ortskanalisation im Stadtteil Lahm samt Neubau einer eigenen Kläranlage soll noch im November begonnen werden. Zuvor wird zu einer Bürgerversammlung eingeladen, wie Bürgermeister Andreas Hügerich (SPD) in der Stadtratssitzung wissen ließ. Die Kosten sind mit 1,5 Millionen Euro veranschlagt, davon sind 1,2 Millionen im Haushalt 2015 vorgesehen. Der Landkreis beteiligt sich an den Kosten zur Entwässerung der Kreisstraßen in Lahm und Mönchkröttendorf mit insgesamt rund 184 000 Euro. Das Wasserwirtschaftsamt Kronach hat einen Zuschuss über 103 000 Euro bewilligt. Der Beschluss des Stadtrates zu diesem Vorhaben fiel einstimmig.
Bürgerstiftung: Stephan Franke von der Sparkasse Coburg-Lichtenfels präsentierte dem Stadtrat die Möglichkeiten und Vorteile einer Bürgerstiftung - und konnte überzeugen. Die Stadt muss 5000 Euro Startkapital stellen. Die Stiftungstreuhand in Fürth übernimmt die Verwaltung. Die Bürgerstiftung steht Privatpersonen für persönliche Stiftungszwecke offen. Eine Konkurrenz zur bestehenden Bürgerstiftung für Jugend und Familie im Landkreis, die nur diesem Zweck dient, wäre sie nicht, so Franke.
Friedhofssatzung: Die Friedhofs- und Bestattungssatzung der Stadt wurde den Erfordernissen der heutigen Zeit angepasst, die bereits bestehenden Rasengrabflächen und Urnenstelen aufgenommen, die Ruhefristen für Urnen in allen städtischen Friedhöfen auf 20 Jahre festgelegt. Bei Erdbestattungen ist eine solche Angleichung aufgrund unterschiedlicher Bodenbeschaffenheiten nicht möglich. Mehr Flexibilität gibt es, wenn Angehörige die Nutzungsrechte für eine Grabstätte verlängern möchten - hier ist jetzt die Anzahl von Jahren in Fünferschritten festlegbar. Bislang musste man sich für zehn oder 20 Jahre entscheiden. Neu ist, dass auch für Kindergrabstätten die Nutzungsfrist verlängert werden kann. Dies entspricht dem Wunsch betroffener Familien. Zurückgestell wurde der Antrag der SPD- und WLJ-Stadtratsfraktion auf Errichtung eines Friedwaldes im Stadtgebiet. Diese aktuell sehr nachgefragte Form der Bestattung wird in Lichtenfels und im Landkreis bislang nicht angeboten. Bürgermeister Andreas Hügerich (SPD) bat um Verständnis darum, dass die Satzung zunächst wie vorliegend verabschiedet wird. Man werde aber prüfen, ob es Möglichkeiten gibt, Bestattungen unter Bäumen künftig ebenfalls anzubieten.
"Kaufland" in der Robert-Koch-Straße: Der "Kaufland"-Supermarkt in der Robert-Koch-Straße wird sein jetziges Domizil verlassen und in einen Neubau auf einem Nachbargrundstück (Haus-Nr. 5) umziehen. Mit der Änderung des betreffenden Bebauungsplanes hatte die Stadt bereits im März den Weg für die Umsetzung dieses Vorhabens freigemacht. Anstelle des geplanten Gewerbegebietes für das Areal des bestehenden Gebäudes wird nun allerdings ein Sondergebiet ausgewiesen. Der Unterschied: Großflächiger Einzelhandel ist damit im Gegensatz zu vorher erlaubt, solange es sich um nicht innenstadtrelevante Sortimente handelt. Der Eigentümer, dessen Wunsch man damit nachkommt, könnte jetzt einen Garten-, Möbel- oder Baumarkt einziehen lassen. "Eine Gewerbe-Brache wäre nicht im Interesse der Stadt", unterstrich der beauftragte Planer Guido Bauernschmitt vom Büro "Team4". Der Investor des neuen Gebäudes möchte auf dem Parkplatz auf Bäume zugunsten von mehr Stellplätzen verzichten. Die Stadträte wollten da zwar keine weiteren Vorschriften machen. Mathias Söllner (Grüne) regte aber an, den Investor dafür zu gewinnen, stattdessen einen finanziellen Beitrag zur Begrünung der Stadt an anderer Stelle, etwa auf dem neu geplanten Spielplatz, zu leisten.
Kinderbetreuung: Um für den Betrieb und auch für den Neubau einer Kinderbetreuungseinrichtung Fördermittel zu erhalten, muss eine Kommune regelmäßig den Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen feststellen. Demnach steigt die Zahl der benötigten Krippenplätze von 164 auf 187, womit bei den unter Dreijährigen eine Deckung von 40 Prozent erreicht wird. Mit Kindergarten und Hortkindern wurde ein Bedarf von 946 Plätzen (bisher: 855) festgestellt. Der BRK-Kreisverband plant an der Kindertagesstätte am Helmut-G.-Walther-Klinikum neben der Generalsanierung auch einen Anbau mit zwölf neue Krippenplätzen. Auch hierfür erkannte der Stadtrat den Bedarf an. Kinder von Asylbewerbern sind in der Hochrechnung laut Stadtkämmerer Johann Pantel nicht enthalten, da es keine Anhaltspunkte über die Zahlen hierzu gebe. Dass Kitas in Ferienzeiten oft wochenlang geschlossen sind, bringt viele Eltern in Nöte. "Die haben nicht so viel Urlaub, acht Wochen Ferien abzudecken", sagte Monika Faber (SPD). Sie plädierte dafür, bei den drei großen Trägern eine Absprache zu erzielen und rannte beim Bürgermeister offene Türen ein. In dem neu gegründeten Arbeitskreis für die Anerkennung als Bildungsregion sei man bereits an dieser Sache dran. pp