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Bäckermeister Söllner tritt Stadtratsposten an


Autor: Ramona Popp

Lichtenfels, Dienstag, 06. Mai 2014

Bäckermeister Mathias Söllner ist einer der neuen Stadträte. Neu ist er den Lichtenfelsern aber nicht. Seit Jahrzehnten engagiert er sich. Das hat Anerkennung gefunden. Er könnte Kandidat für ein Bürgermeistervertreteramt sein.
Mathias Söllner freut sich auf die Mitarbeit im Stadtrat, auch wenn diese nicht immer gleich sichtbare Ergebnisse zeigen wird wie seine tägliche Arbeit als Bäckermeister. Fotos: Ramona Popp


Es ist nicht die erste Stadtratssitzung für Mathias Söllner am heutigen Mittwoch, denn der Bäcker- und Kreishandwerksmeister hat sich schon bisher für Weichenstellungen in seiner Stadt interessiert. Es ist aber die erste Sitzung, bei der er nicht unter den Zuhörern Platz nehmen wird. Er zählt zu den neuen Stadträten.

Bekannt ist Mathias Söllner längst. Er hat sich nie gescheut, Verantwortung zu übernehmen, seine Meinung zu sagen, mitzuarbeiten. Nur auf der kommunalpolitischen Bühne ist er neu. Es als Bürgermeisterkandidat der Grünen an die Spitze der Verwaltung zu schaffen, wäre eine Riesenüberraschung gewesen, noch eine viel größere, als dass Andreas Hügerich (SPD) mit haushohem Vorsprung auf Anhieb gewählt wurde.

Söllner konnte nur 6,38 Prozent auf sich verbuchen, doch mit sechsmal so vielen Wählerstimmen erhielt er den eindeutigen Auftrag, sich künftig von neuer Warte aus für Lichtenfels einzusetzen.

Er ist der einzige von Hügerichs drei Mitbewerbern, der diesen Auftrag annimmt. Er war auch einer der Ersten, die jenem zur Wahl gratulierten. Und er äußerte gleich seine Freude auf die künftige Mitarbeit im Stadtrat.
Als er das elterliche Geschäft übernommen hatte, hätte er für Politik keine Zeit gehabt, sagt Mathias Söllner. Zwischenzeitlich steht der Bäckermeister mit zwei Gesellen und einer Anwärterin auf die Meisterprüfung in der Backstube, seine Kinder sind groß. Und er weiß: "Schon früher, zur Zeit der Zünfte, war Kommunalpolitik eine Sache des Handwerks."


Veränderungen miterlebt

In der Stadt hat sich viel verändert in den vergangenen Jahren. Ein Jugendzentrum, wofür der junge Mathias Söllner in den 70ern in einer Initiative junger Leute zunächst vergeblich kämpfte, gibt es heute längst. Von der einst zweistelligen Zahl an Bäckereien ist seine nun die einzige im Kernstadtgebiet, in der noch selbst gebacken wird. Durch Filialen in Großmärkten ist der Konkurrenzdruck gestiegen.

Überhaupt hat sich die Geschäftswelt gewandelt. Ein Fachmarktzentrum ist entstanden, in der Innenstadt bleiben Läden leer. Söllner hat diese Entwicklung schon als (Vorstands- )Mitglied der Werbe- und Aktionsgemeinschaft "Treffpunkt" mitverfolgt. Man erlebte ihn aber stets eher als Ideengeber denn als Jammerer. Er hat sich im Stadtmarketingverein eingebracht, versteht sich als Förderer des Flechthandwerks, engagiert sich ehrenamtlich, zeigt sich offen gegenüber den Vorstellungen junger Leute. Vielleicht liegt das an den eigenen drei Kindern, vielleicht da ran, dass er seit vielen Jahren Lehrlinge ausbildet, vielleicht aber auch daran, dass er die eigenen Ziele als junger Mensch nicht vergessen hat. "Wir waren schon grün, als es die Grünen noch gar nicht gegeben hat", sagt er und erzählt von Altglassammlungen zur Finanzierung von "richtig guten Musikveranstaltungen" auf dem Schützenanger und am Flussbad. Dies zu einer Zeit, als es noch keine Sammelcontainer gab und man den Rohstoff auf dem Traktor-Anhänger abholte und an Heinz-Glas im Frankenwald verkaufte.

Mit dem Erlös wollte man dem Wunsch nach einem Jugendzentrum näher kommen. Doch sollte es bis in die 90er Jahre dauern, bis ein eigenes Haus für junge Leute aus der Stadt und dem Landkreis unter anderen Vorzeichen Wirklichkeit wurde.

Heute verbindet Mathias Söllner den Blickwinkel eines Handwerksmeisters, also mittelständischen Unternehmers, mit grünen Ideen. Gern beteiligt er sich an Projekten, um Schülern den Weg vom Getreide bis zum Brot zu zeigen; es ist ihm wichtig, dass Lebensmittel wertgeschätzt werden. Seine im Wahlkampf ausgesprochene Ankündigung, den Grünen (wieder) beizutreten, nachdem die Mitgliedschaft in der Bundeswehrzeit fern des heimatlichen Kreisverbandes eingeschlafen war, hat er bereits wahrgemacht. Dass er zu dem ein oder anderen Punkt seine eigene Meinung hat, ist für Mathias Söllner genauso selbstverständlich wie seine Bereit schaft zur Diskussion und seine persönliche Kritikfähigkeit.


Blick über den Tellerrand

Seit Jahren pflegt er mit einem guten Dutzend Bäcker-Kollegen aus ganz Bayern einen Erfahrungsaustausch, bei dem man über den Tellerrand blickt, sich die Betriebe der anderen anschaut, Anregungen aufgreift oder Kritik äußert, "ohne dass jemand beleidigt ist". Was im Kollegenkreis funktioniert, kann auch in der Stadtpolitik nicht falsch sein.

Im Stadtrat möchte er sich vor allem in Sachen Innenstadtförderung einbringen. "Im Tourismus sehe ich da die größten Chancen", sagt er. Und dass er eine Belebung nicht mit Autos, sondern mit Menschen meine. Für die Korbstadt fände er ein Dokumentationszentrum erstrebenswert, das Besucher rund ums Thema Geflecht informiert, wo man einen Korb kaufen kann und gleichzeitig erfährt, warum der nicht ganz billig ist. Er hat Vorstellungen, wie man mehr Geflecht in die Stadt bringen könnte. Geschäftsleute könnten Investitionen dafür als Werbemittel von der Steuer absetzen. Man dürfe ruhig mal "herumspinnen", um machbare Ideen zu finden, meint Söllner. "Vielleicht umflechten wir das Obere Tor wie ein Verpackungskünstler, dann kommen Busse mit Besuchern zu uns ..." Sicher sei die Umsetzung solcher Ideen auch eine Geldfrage. "Aber hoffnungslos ist die Stadt bestimmt nicht."

Für seinen Einstieg in die Stadtratsarbeit hat er sich indes erst einmal etwas Zurückhaltung verordnet - "bis man erkennt, wie der Hase läuft". Diese Zurückhaltung zeigt er auch auf die Möglichkeit angesprochen, einer der Bürgermeistervertreter zu werden. In einer Wahlkampf-Diskussionsrunde waren die Bewerber gefragt worden, unter welchem Bürgermeister sie sich vorstellen könnten, dessen Stellvertreter zu sein. Söllner hatte damals Hügerich genannt und dies mit dem bisherigen guten Miteinander begründet. "Heute würde ich die Frage nicht mehr beantworten", sagt er mit einem Schmunzeln. Und merkt an: "Zweiter Bürgermeister werde ich mit Sicherheit nicht." Weil das Amt üblicherweise der stärksten Stadtratsfraktion vorbehalten sei.
Alles andere wird sich in der konstituierenden Sitzung zeigen.


Kommentar: Ein entscheidendes Signal

Die Wahl der Bürgermeistervertreter ist keine bloße Postenvergabe. Sie ist ein entscheidendes Signal zum Start in sechs Jahre gemeinsame Arbeit. 2008 war das in Lichtenfels ein Fehlstart. Nicht, weil Bernhard Christoph von den Grünen entgegen der bisherigen Praxis, die zweitstärkste Fraktion hier zum Zug kommen zu lassen, zum Dritten Bürgermeister gewählt wurde. Sondern weil das wie ein abgekartetes Spiel, eine Allianz gegen die SPD-Fraktion rüberkam. Weil es schon zum Beginn eines gemeinsamen Weges einen Verlierer und lange Gesichter geben sollte.

So darf der Start dieses Mal nicht aussehen! "Es gilt, die erste Sitzung bestmöglich vorzubereiten, um harmonisch in eine erfolgreiche Wahlperiode 2014/2020 zu starten", schreibt Verwaltungsdirektor Andreas Gaß in einer Veröffentlichung des Bayerischen Gemeindetages vom März. Der neue Bürgermeister Andreas Hügerich kann schon bei der Moderation der Aufgabenvergaben zeigen, wie ernst es ihm mit dem viel beschworenen Miteinander ist.