Absturz auf dem Staffelberg: Augenzeuge erläutert das Unglück von 1936
Autor: Matthias Einwag
Bad Staffelstein, Dienstag, 29. März 2016
Zwei Neffen des 1936 beim Flugzeugabsturz auf dem Staffelberg ums Leben gekommenen Leutnants Rudolf Harnier besuchten den Absturzort.
Lokaltermin auf dem Staffelberg: Der 88-jährige Bamberger Elmar Dippold, der in Romansthal aufgewachsen ist, schildert, was er als kleiner Junge am 13. Januar 1936 hier oben sah.
Damals war eine Junkers W 34 gegen den Staffelberg geprallt und auf dem Plateau zerschellt. Dabei kamen vier der fünf Insassen ums Leben. Einer der Toten war der 23-jährige Leutnant Rudolf Harnier aus Künzell bei Fulda. Zwei seiner Neffen, Rolf (68) und Axel Harnier (72), besuchten nun den Berg und erfuhren von dem Augenzeugen, was an diesem nebligen Januartag vor 80 Jahren geschehen ist.
Elmar Dippold ist nicht mehr gut zu Fuß. Deshalb fährt Stadtarchivarin Adelheid Waschka den 88-Jährigen sowie die beiden Neffen des verunglückten Leutnants mit einem Kleinbus hinauf zum Gipfel. Schon während der Fahrt schildert Elmar Dippold, was ihm in Erinnerung geblieben ist: "Hier lag ein Rad, ein Bugrad, das war vielleicht einen Meter groß", sagt er, als der Kleinbus die steile Auffahrt zur Hochfläche passiert.
Axel Harnier ist das erste Mal auf dem Staffelberg. Warum er den Ort, an dem sein Onkel vor 80 Jahren ums Leben kam, nicht längst schon einmal besucht hat, kann der 72-Jährige nicht mit Bestimmtheit sagen: "Die Familie hat kaum darüber gesprochen."
Sein Bruder Rolf war schon einmal auf dem Staffelberg, vor sehr langer Zeit. Rolf wurde an einem 8. Juli geboren - am Geburtstag seines verunglückten Onkels Rudolf. Der Familientradition zufolge hätte er Rudolf getauft werden müssen, doch das sei, wohl aus Gründen der Pietät, zum kürzeren Rolf abgewandelt worden.
Nun hatten sich die beiden Brüder und ihre Frauen Beate und Christa, die alle in der Nähe von Fulda leben, zum gemeinsamen Besuch des Staffelbergs verabredet. Viele Mails gingen im Vorfeld hin und her, denn Adelheid Waschka hatte zugesagt, Elmar Dippold und die Harniers in Bamberg abzuholen, damit sie nicht auf den baustellenbedingten Schienenersatzverkehr angewiesen sind.
Authentische Erzählung
Auf dem Staffelberg ist wenig los an diesem grauen Märztag. Elmar Dippold erzählt, was er als Junge sah: Das zerfetzte Flugzeug, aufgerissene Koffer, herumliegende Kleidungsstücke und überall Wrackteile. An einer Stelle sei jahrzehntelang ein dunkler Ölfleck gewesen - wo die Maschine lag, sei kein Gras gewachsen. Und dann lagen da die Toten und die stöhnenden Verletzten. "Das war furchtbar, das geht einem das ganze Leben nach", sagt Elmar Dippold, der später, im Krieg, noch mehr Schlimmes gesehen hat. Nachdem das einmotorige Flugzeug an den Hang des Staffelbergs geprallt war, sei "halb Romansthal hinauf gelaufen", denn der Aufschlag sei über eine große Distanz zu hören gewesen. Auch er selbst sei hinauf gerannt, sagt er. Schon von weitem habe er Menschen um Hilfe rufen hören. Wahrscheinlich seien das nicht die Verletzten gewesen, sondern jene Leute, die zuerst an der Unfallstelle eintrafen.
Elmar Dippold ist lange nicht auf dem Staffelberg gewesen. Doch viel habe sich hier nicht verändert in den vergangenen 20 Jahren. Dass der Nordhang 1936 keinen Bewuchs hatte, das jedoch weiß er noch ganz genau. Heute stehen hier Bäume und Sträucher. Langsam und bedächtig sieht sich Elmar Dippold um. Bruchstückhaft, aber präzise erinnert er sich an immer andere Details, denn die Fliegerei hat ihn schon immer fasziniert. Am Ende des Krieges wurde er noch als Flieger ausgebildet, kam aber nicht als Pilot zum Einsatz.
An diesem Tag sei er nervös, gesteht der 88-Jährige und lächelt. Er nennt die Namen von Romansthalern, die er kannte, die aber alle schon gestorben sind. Ein Fotoalbum hat er dabei. Darin sind Jugendbilder von ihm, unter anderem eines, das ihn und seine Mitschüler in der Romansthaler Schule zeigt.
Tote in der Kapelle aufgebahrt
Die Gruppe umrundet das Hochplateau des Staffelbergs. Immer wieder bleiben die Besucher stehen, lassen sich von Elmar Dippold weitere Details des Flugzeugabsturzes schildern. Und sie bewundern die Aussicht ins Tal. Die Toten - und vielleicht auch die Schwerverletzten, das kann der Zeitzeuge nicht mehr exakt sagen - wurden zunächst in die Adelgundiskapelle gebracht. Dort lagen sie auf Decken gebettet. Die Schwerverletzten, sagt Dippold auf Nachfrage von Axel Harnier, seien teils bei Bewusstsein gewesen, dann wieder lagen sie im Koma.
Adelheid Waschka schließt die Kapelle auf, damit die Besucher auch diesen Ort sehen können. Elmar Dippold erzählt vom fünften Mann an Bord der verunglückten Maschine, vom einzigen Überlebenden. Dessen Identität ist bis heute ungeklärt. Etwa zehn bis 15 Jahre nach dem Unglück, sagt Dippold, sei jedoch ein ominöser Mann in braunen Hosen am Unglücksort gesehen worden, von dem man munkelte, es sei der Überlebende gewesen.
Axel Harnier: "Für mich war dieser Tag an diesem Ort ungeheuer beeindruckend." Für ihn steht fest: "Wir waren nicht das letzte Mal auf dem Staffelberg." Im Sommer wollen sie wiederkommen - dann werden sie ihren Cousin Otto aus Belgien mitbringen. Otto sei vier Jahre älter und wisse sehr viel über den verunglückten Onkel Rudolf, dessen Grab sich auf dem Friedhof von Künzell befindet.