Auf der Jagd nach dem Killervirus
Autor: Tobias Kindermann
Lichtenfels, Sonntag, 17. Januar 2021
Ein Speziallabor des Landesamtes für Gesundheit hat eine Corona-Probe aus dem Pflegeheim Elisabeth untersucht.
Die Nachricht erreichte das Landratsamt am späten Freitagabend: Eine Spezialuntersuchung hat ergeben, dass es sich einer Virusprobe aus dem Pflegeheim Elisabeth in Lichtenfels nicht um die bereits auch schon in Deutschland nachgewiesene, als englische Mutation bezeichnete Corona-Variante B.1.1.7. handelt.
Sie ist deutlich ansteckender als das bisherige Coronavirus. Genau lässt sich das nicht beziffern, die Angaben schwanken je nach Quelle um die 40 bis 50 Prozent, teilweise auch darüber. Eine Ausbreitung dieser Mutation könnte dazu führen, dass sich die Infektionslage drastisch verschärft.
Deshalb findet auch das Bund-Länder-Treffen nicht wie geplant erst am 25. Januar statt, sondern schon am Dienstag dieser Woche. Die Infektionszahlen sinken trotz weiterer Maßnahmen kaum, zwar scheint es eine leichte Verbesserung bei der Belegung von Intensivbetten in Krankenhäusern zu geben, doch von einer Entspannung redet aktuell niemand.
Im Pflegeheim Elisabeth hat sich Anfang Januar ein großes Infektionsgeschehen ereignet. Rund 50 Bewohner erkrankten, etwa 85 Prozent. Auch die Hälfte des Personals infizierte sich, fast 30 Personen. Das Landratsamt hatte sich entschlossen, so eine Untersuchung vornehmen zu lassen, weil besonders viele Senioren erkrankt sind, sagt Landratsamt-Pressesprecher Andreas Grosch auf Nachfrage. Die Todesrate steigt stark an, je älter die Infizierten sind. Es ist das erste Mal, dass so etwas geschehen ist. "Zuvor war diese Virusvariante ja nicht bekannt, so dass wir bei ähnlichen Fällen keinen Anlass für diesen Schritt hatten", sagt Grosch.
Deshalb ging eine Probe an das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen. Von dort aus wurde sie weitergegeben an ein Speziallabor in Oberschleißheim.
Inzwischen hat man etwa bei Reiserückkehrern aus England vereinzelt diese neue Virusvariante in Deutschland nachgewiesen. Dieser Nachweis ist sehr aufwändig und teuer. Im Landratsamt geht man davon aus, dass nur ein Virustyp für die Ansteckungen gesorgt hat, deshalb hat man nur eine Probe untersucht.
Studie aus Österreich
Es könnte sein, dass sich diese Mutation auch schon hierzulande stärker verbreitet hat als bekannt ist. In Österreich scheint dies bereits der Fall zu sein. Eine Stichprobe der MedUni Wien hat ergeben, dass von 83 positiven PCR-Tests 14 das mutierte Virus enthielten. Das sind 17 Prozent.
Eine Zunahme der Infektionsgeschwindigkeit könnte starke Auswirkungen haben. Aktuell stagnieren die Neuinfektionen in Deutschland auf hohem Niveau. Vereinfacht gesagt kann man annehmen, dass ein Infizierter einen weiteren ansteckt. Nimmt dieser Wert aber um 50 Prozent zu, steckt eine Person 1,5 weitere an. Das würde die Zahlen innerhalb kurzer Zeit explodieren lassen - trotz der aktuell geltenden Kontakteinschränkungen.
Momentan würden nach neun weiteren Infektionen bei 100 Personen jeweils immer noch 100 Personen hinzukommen, man käme auf 1000 Betroffene. Bei einem Wert von 1,5 erhöht sich die Zahl der Neuinfizierten im 9. Schritt bereits auf 3855. Insgesamt wären es 11 361. Das führt dazu, dass natürlich mehr Menschen sterben werden, so dass man es durchaus als Killervirus bezeichnen kann. Es ist gefährlicher als eine Mutation, die 50 Prozent tödlicher wäre bei unveränderter Ansteckungsrate. Was sich aber schon jetzt zeigt und zu erwarten war: Je mehr Möglichkeiten das Virus hat, sich zu verbreiten, umso mehr erhöht sich die Gefahr, dass weitere, noch gefährlichere Mutationen entstehen.