Apfel mit dem Aroma einer Ananas
Autor: Matthias Einwag
Horsdorf, Dienstag, 28. Mai 2019
Hans-Karl Hertel schwört auf Äpfel und Birnen alter Sorten. Deshalb ist er stets auf der Suche nach Edelreisern, um alte Arten zu erhalten. Die Bäume veredelt er selbst. Bei den Früchten ist ihm der Geschmack wichtig, nicht der Ertrag.
Wenn Hans-Karl Hertel im Frühjahr mit dem Geländewagen in seinen Obstgarten fährt, hat er stets einige Bündel Edelreiser dabei. Von alten fränkischen Obstsorten ist er fasziniert. Mehr als 30 davon kultiviert er auf seinen Obstbaumwiesen am Fuß des Staffelbergs. Äpfel, Birnen, Pflaumen und Kirschen baut er an. Seine Leidenschaft gilt dem Veredeln seiner Apfel- und Birnbäume.
Der 62-Jährige ist deshalb ständig auf der Suche nach Ablegern alter Sorten. Diese Reiser tauscht er mit Kollegen oder gewinnt sie von eigenen Bäumen. Leiten lässt er sich dabei nur vom Aroma, nicht vom Ertrag. Auf eine Unterlage - so wird ein Baum genannt, der veredelt werden soll - setzt Hans-Karl Hertel nur Reiser jener Sorten, die ihm schmecken. "Der Grafensteiner ist mein Lieblingsapfel", sagt er und zählt auf, welche alten Sorten er sonst noch auf seinen insgesamt rund 100 Bäumen hat: Landsberger Renette, Winterrambur, Dülmener Rosenapfel, Boskop, Blenheimer Goldrenette und Danziger Kantapfel.
Ganz seltene Apfelsorte
"Die Ananas-Renette wollt' ich unbedingt jetzt einmal haben", erzählt er und zeigt ein Bündel Edelreiser, die er sich abschneiden durfte. In Oberfranken gebe es von dieser Sorte nur noch zwei Bäume - einer stehe im Klostergarten in Kirchschletten, der andere in Kulmbach. Wer von diesem Apfel probiere, sagt er, der schmecke tatsächlich einen Hauch von Ananas. Kein Vergleich zu den in Supermärkten angebotenen Neuzüchtungen wie Pink Lady. "Nur fürs Auge, kein Geschmack", lautet sein vernichtendes Urteil über diese äußerlich schönen Früchte. Derzeit gebe es in Deutschland noch rund 800 alte Apfelsorten, aber 3500 Neuzüchtungen, schätzt er. Damit sollen Sorten entstehen, deren Früchte perfekt aussehen und deren Anschnitt nicht zu schnell braun wird.
Allergisch auf Neuzüchtung
Bei einem Krankenhausaufenthalt bekam Hans-Karl Hertel kürzlich Äpfel einer Neuzüchtung serviert. Nach dem Verzehr dieser Früchte bildeten sich Bläschen auf der Haut seines Armes. Der Arzt verordnete eine Salbe zum Kühlen des Ausschlags. Es sei nicht sofort klar gewesen, was der Auslöser dieser Hautreizung gewesen ist. Nachdem er jedoch keinen dieser Äpfel mehr aß, besserte sich die Allergie nach wenigen Tagen.
Das ist ein Grund, warum Hertel auf die alten Obstsorten schwört. Mehr als drei Sorten pro Baum hält er nicht für sinnvoll - das sei nur für Leute, die ins Guinness-Buch der Rekorde kommen wollen. Veredelt wird aber jeder seiner Bäume.
Seit mehr als 40 Jahren interessiert er sich für alte Sorten und kultiviert als einer der letzten Landwirte die Staffelsteiner Beckenbirne, eine regional begrenzten Sorte.
Sein Obstgarten am Fuß des Staffelbergs war Anfang der 1960er-Jahre einmal eine Musteranlage, die von 16 Eigentümern betrieben wurde. In Hertels Parzelle stehen neben Apfel- und Birnbäumen auch Zwetschgen-, Pflaumen-, Mirabellen- und Kirschbäume. Um zu wissen, welchen Baum er bereits veredelt hat, fertigte er sich einen Plan an. Zudem kennzeichnet er die veredelten Ästchen jeweils mit einem gelben Band, um später nicht versehentlich bei der Baumpflege ein Edelreis abzuschneiden.