Am Anfang stand das Geraniengießen
Autor: Stephan Stöckel
Burgkunstadt, Freitag, 16. März 2018
Silvia Gäbelein ist seit fast 50 Jahren bei der Burgkunstadter Firma Maschinenfabrik Fischer. Sie begann als Lehrling - und kümmerte sich um die Pflanzen.
Silvia Gäbelein muss schmunzeln, wenn sie an ihre ersten zwei Wochen bei der Burgkunstadter Maschinenfabrik Fischer zurückdenkt, die Cordschneideanlagen für die Reifenindustrie herstellt. Fast 50 Jahre ist das nun schon her. Ihre erste Aufgabe bestand darin, Blumen zu gießen. Eine Tätigkeit, die aus der Not geboren war, wie die Betriebsjubilarin erzählt: "Damals fing das Lehrjahr noch am 1. August und nicht wie heute am 1. September an. In den ersten zwei Augustwochen hatte die Firma Fischer früher immer ihre Betriebsferien. Es waren kaum Mitarbeiter da. So durfte ich die Geranien auf den Fensterbänken der Büroräume bewässern."
Das gute Betriebsklima, die abwechslungsreiche Arbeit und die Liebe zum Beruf machten aus Gäbelein eine Marathonläuferin der Maschinenfabrik, ist sie doch inzwischen am längsten von allen Mitarbeitern im Unternehmen. "Ich musste mich in den vergangenen 50 Jahren nie reinquälen. Das Schreiben und die Arbeit mit Zahlen haben mir immer Spaß gemacht", sagt die gelernte Industriekauffrau.
Bei einer kleinen Feierstunde im "Fränkischen Hof" in Baiersdorf überreicht Geschäftsführerin Simone Thies der Jubilarin, die sich scherzhaft als "Alterspräsidentin des Unternehmens" bezeichnet, eine Ehrenurkunde der Industrie- und Handelskammer (IHK). "Du warst eine Koryphäe auf wirtschaftlichem und kalkulatorischem Gebiet", schwärmt Thies. Die Rednerin hebt Gäbeleins Loyalität zum Unternehmen ebenso hervor wie ihr ausgeglichenes Wesen.
Szenenwechsel. Blumen stehen schon lange nicht mehr an den Fenstern der Büroräume. Auch das Klackern der Schreibmaschinen hallt nicht mehr durch ihre Abteilung, die Kostenrechnung. Neben dem Bildschirm steht eine Rechenmaschine, Überbleibsel aus dem Büroalltag längst vergangener Zeiten. "Früher wurde mit ihr viel kalkuliert. Heute wird sie nur noch für Kontrollrechnungen benutzt", erklärt die gelernte Industriekauffrau.
Ihre Gedanken schweifen zurück in das vordigitale Zeitalter, als sich die Zettel auf den Schreibtischen türmten und in den Schränken die Aktenberge zu Hause waren. "Eine Stückliste, auf der die ganzen Teile einer Cordschneideanlage aufgelistet sind, umfasste früher bis zu 500 Stück Papier, das addiert und sortiert werden musste. Pro Auftrag kamen so drei bis vier Ordner zusammen", erinnert sich die Redwitzerin, die im Mai ihren 64. Geburtstag feiert.
Bis zu acht Durchschläge
Aufträge wurden damals auf der Schreibmaschine geschrieben - mit bis zu acht Durchschlägen für verschiedene Abteilungen im Unternehmen. "Man durfte nicht patzen, da man jeden Fehler auf dem Durchschlag gesehen hat", erzählt Gäbelein. Als dann Kopierer und Computer Einzug in das Büro gehalten hatten, ging die Arbeit zwar einfacher von der Hand, aber zugleich kam auch die Hektik. "Es geht nicht mehr so ruhig zu. In den 70er Jahren war man zufrieden, wenn eine Arbeit am Ende der Woche erledigt war, heute, wo man dank moderner Technik Daten viel schneller herholen kann, soll eine Arbeit schon am selben Tag erledigt sein", spricht Gäbelein aus eigener Erfahrung.Früher habe man auch mehr persönlich kommuniziert. ",Na was spricht denn die Gerüchteküche', pflegte unser früherer Chef Manfred Liedtke immer zu sagen". Auch ein anderer ist Gäbelein in Erinnerung geblieben: Direktor Georg Röder, den sie als "besonders streng" bezeichnet. "Frauen mit Hosen waren zu seiner Zeit in den 70er und 80er Jahren ein No-Go. Man musste einen Rock oder ein Kleid tragen." Damals siezten sich die Mitarbeiter auch noch. Das führte zu komischen Situationen. "Draußen war man per Du, Drinnen per Sie", erzählt die 63-Jährige, die insgesamt acht Chefs, darunter Firmengründer Karl Eugen Fischer, kommen und gehen hat sehen.
Am 1. September dieses Jahres geht Gäbelein in den wohlverdienten Ruhestand, für den sie bereits Pläne geschmiedet hat: "Ich möchte mich um meinen Enkel Max kümmern, mit meinem Mann Rudolf Urlaubsreisen unternehmen, mich ehrenamtlich engagieren und eine Fremdsprache erlernen."