Zwölf Prozent der Kulmbacher Betriebe droht die Insolvenz
Autor: Redaktion
Kulmbach, Freitag, 24. April 2020
Die IHK spricht vom "stärksten Druck" seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Kulmbacher Firmen hoffen auf eine Rückkehr zur Normalität.
"Seit Ende des Zweiten Weltkriegs war der Druck auf die Kulmbacher Wirtschaft nicht mehr so stark", sagt Michael Möschel, Vorsitzender des IHK-Gremiums Kulmbach. 82 Prozent der Unternehmen erwarten nach einer aktuellen IHK-Umfrage für 2020 einen Umsatzrückgang, jedes dritte Unternehmen rechnet mit einem Personalabbau, zwölf Prozent droht sogar die Insolvenz. Umso wichtiger sei es, schrittweise Öffnungen für die Wirtschaft zu realisieren, so Möschel.
Nach Ansicht des IHK-Vizepräsidenten ist das Gesamtpaket aus Corona-Soforthilfe, Ausweitung der Kurzarbeiterregelung, Steuererleichterungen und Kreditprogrammen mit weitgehender Haftungsfreistellung ausgewogen zusammengestellt. Wichtig sei nun, dass das Geld auch zeitnah ankommt. "Bei etlichen Firmen kommt es buchstäblich auf jeden Tag an."
Ungerechte Abgrenzungen?
Möschel begrüßt die vorsichtige Rückkehr zur Normalität. Dass die Öffnungen schrittweise vollzogen werden müssen, sei mit Blick auf das Virus nachvollziehbar. "Unsere Unternehmen und die vielen Soloselbstständigen brauchen aber möglichst frühzeitig Informationen und vor allem Planungssicherheit, unter welchen Rahmenbedingungen die Aktivitäten wieder gestartet oder ausgeweitet werden dürfen." Er plädiert für fixe Regeln für alle Branchen. "Ich kann nachvollziehen, dass man Menschenansammlungen vermeiden will. Trotzdem halte ich es für falsch, dass Geschäfte über 800 Quadratmeter und alle Geschäfte in Malls und Fachmarktzentren geschlossen bleiben müssen. Das empfinden die betroffenen Händler als ungerecht, wie zahlreiche Anrufe bei der IHK zeigen", betont der Vizepräsident. Erste gerichtliche Entscheidungen in anderen Bundesländern hätten den Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Abgrenzung bereits bestätigt.
Betroffene gebe es viele: Zwei Drittel der Einzelhändler haben in der IHK-Blitzumfrage einen Stillstand der geschäftlichen Tätigkeit angegeben. Hart treffe es auch viele Dienstleistungsbetriebe, die Unternehmen im Veranstaltungssektor, im Messewesen sowie Schausteller.
Umsatz nicht mehr nachholbar
Besonders schwer trifft es laut Möschel Gastronomie und Hotellerie. Im Gegensatz zu anderen Branchen könne der entfallene Umsatz auch nicht mehr nachgeholt werden. "Den Betrieben setzt das empfindlich zu. Gerade in dieser Branche sind viele in ihrer Existenz bedroht". Über Lockerungen auch für diese Betriebe müsse nachgedacht werden. Die Einhaltung der Hygienevorschriften seien Grundvoraussetzung. Mit dem Instrument der Arbeitsstättenverordnung und den Technischen Regeln für Arbeitsstätten gebe es ein sehr gutes Instrument für das weitere Vorgehen.
Darüber könnten laut Möschel ein Verzicht auf Büffets und Flexibilität bei den Öffnungszeiten helfen. "Um einen relevanten Umsatz zu gewährleisten, sollte Gastronomiebetrieben ein Frühstücksservice sowie Mittags- und Abendtisch ermöglicht werden", fordert er. Bei der IHK-Blitzumfrage hatten 90 Prozent der Gastro-Unternehmen angegeben, aktuell keinen Umsatz zu machen, über 70 Prozent denken über Entlassungen nach.
Reisebüros vor dem Aus?
Noch härter treffe es Reiseveranstalter und Reisebüros: "Sie dürfen zwar wieder öffnen, haben aber nichts zu verkaufen." Der Umsatz werde nur sehr langsam wieder zurückkehren. Hinzu komme, dass Reisen im großen Stil storniert wurden und somit rückwirkend die Provisionen entfallen, die das Reisebüro bereits erhalten hat, also auch der Gewinn der vergangenen Monate. "Kein Neugeschäft, die Zurückzahlung bereits erhaltener Provisionen, unbezahlte Mehrarbeit wegen der Stornierungen und unsichere Zukunftsaussichten: Vor diesem Hintergrund finde ich die Forderung der Branche nach einem eigenen Rettungsmodell absolut nachvollziehbar", so Möschel. Über 80 Prozent der Unternehmen in der Reisewirtschaft machen laut IHK-Blitzumfrage aktuell keinen Umsatz, zwei von drei Unternehmen schließen Entlassungen nicht aus.