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Zwei Männer und ein Mordsgeschrei in der Wolfskehle


Autor: Stephan Tiroch

Kulmbach, Donnerstag, 03. Juli 2014

In der Wolfskehle in Kulmbach kommen sich ein Autofahrer und ein Fußgänger in die Quere. Und zwei Frauen entscheiden, wie der Zwischenfall einzuordnen ist.
In der Wolfskehle kommen sich ein Autofahrer und ein Fußgänger in die Quere. Bei der Kollision mit dem Außenspiegel sind weder nennenswerte Verletzungen zu beklagen noch irgendein Schaden am Kleinbus. Doch es gibt ein Mordsgeschrei auf der Straße - mit dem Ergebnis, dass man sich am Donnerstag vor Gericht wiedersieht. Foto: Archiv


Es ist schon dunkel am frühen Abend jenes Wintertags im Januar, als sich in der Wolfskehle Unbegreifliches zuträgt. Ein Kleinbus rollt auf der breiten Straße in Richtung Innenstadt. Dessen Fahrer bemerkt schon von weitem, dass ein Fußgänger auf die Straße ausweicht. Denn auf dem Gehsteig parkt ein Auto. Und obwohl genügend Platz gewesen wäre, streift der Außenspiegel den Mann.

Glücklicherweise sind weder nennenswerte Verletzungen zu beklagen noch irgendein Schaden am Kleinbus. Doch die beiden Beteiligten geraten vor dem Anwesen Nummer 26 lautstark aneinander. Es gibt ein Mordsgeschrei auf der Straße - mit dem Ergebnis, dass man sich am Donnerstag vor Gericht wiedersieht.

"Zwei Frauen entscheiden jetzt darüber, wie damit umzugehen ist, wenn sich zwei erwachsene Männer auf der Straße streiten", stellt Rechtsanwalt Achim Riedel fest, der den angeklagten Autofahrer verteidigt. Der Kulmbacher Anwalt legt es in das Ermessen von Richterin Sieglinde Tettmann und Staatsanwältin Sandra Staade, das Verfahren einzustellen.

Unterschiedliche Wahrnehmung

"Er hat mich mit dem Außenspiegel an der Schulter getroffen, dass es mich um 180 Grad gedreht hat", berichtet der Fußgänger. "Es hat einen ziemlichen Schlag getan." So unterschiedlich können Wahrnehmungen sein. Der 67-jährige Autofahrer will fast nichts gehört haben. "Halt so, als ob man einen Ast streift", sagt er.

Immerhin, der Autofahrer hält an und erkennt: "So schlimm war's net." Der Fußgänger sei aber gleich aggressiv geworden und habe rumgeschrieen. Auch nicht maulfaul, gibt der 67-Jährige die passende Antwort: "Dann muss ich künftig auf dem Gehsteig fahren, dass Sie auf der Straße laufen können." Und gibt dem Fußgänger den Rat: "Da ist mein Nummernschild. Wenn Sie mich anzeigen wollen - bitte!" Sagt's und rauscht ab.

Der Angesprochene lässt sich nicht zweimal bitten und informiert die Polizei. Es wird ermittelt, und es kommt Fahrerflucht und fahrlässige Körperverletzung raus. Der Arzt attestiert beim Fußgänger: Muskelzerrung und Schulterprellung. Nach einem Tag hat's schon nicht mehr wehgetan, räumt der Zeuge ein.

Er macht keine Schadens ersatzansprüche geltend und will auch nicht unbedingt, dass der Autofahrer bestraft wird. Aber: "Es gehört sich nicht, dass man Leute auf der Straße anfährt und sich nicht mal entschuldigt." Dass die Angelegenheit überhaupt mündlich verhandelt wird, liegt daran, dass der Autofahrer gegen den Strafbefehl über 600 Euro Einspruch eingelegt hat.

Wer schreit lauter?

Die Staatsanwältin wundert sich, warum man im Straßenverkehr nicht in Ruhe miteinander reden kann. Und das Gericht interessiert sich noch dafür, wer damals mehr geschrieen hat. "Es war ausgeglichen", schätzt der Fußgänger. Damit steht einer Einstellung des Verfahrens nichts mehr im Wege. 500 Euro muss der Autofahrer bezahlen. "Ich beuge mich", erklärt der Kaufmann und nimmt den Hinweis des Gerichts wohlwollend zur Kenntnis, dass er die Geldbuße nicht von der Steuer absetzen kann: "Das läuft unter Privatvergnügen."

Freuen kann sich die Geschwister-Gummi-Stiftung: Sie bekommt das Geld. Und irgendwie hat auch die Gerechtigkeit gesiegt. Denn auf dem Gerichtsflur geben sich Autofahrer und Fußgänger die Hand.