Zu viel Bürokratie, zu wenig Individualität
Autor: Dagmar Besand
Thurnau, Donnerstag, 04. November 2021
Jürgen Keller führt einen frustrierenden Kampf mit seiner Krankenkasse. Ein beschwerlicher Weg, der nicht sein müsste.
Wenn es um viel Geld geht, ist sorgfältiges Abwägen gefordert, ganz besonders natürlich dann, wenn die Solidargemeinschaft für hohe Kosten aufkommen muss. Doch wenn man den Fall des schwerstpflegebedürftigen Menchauers Jürgen Keller betrachtet, kann man sich schon fragen, wo denn der gesunde Menschenverstand abgeblieben ist.
Da ist ein Mensch, der in jungen Jahren von einer schweren Krankheit getroffen wurde, die ihn zu einem Leben in dauerhafter Abhängigkeit verurteilt. Ein Spezialrollstuhl ermöglicht ihm einen Rest von Selbstständigkeit. Ohne eigenes Verschulden geht das - zugegeben teure - Stück kaputt.
Man sollte meinen, dass da ein Ersatz selbstverständlich ist. Falsch gedacht: Irgendwo sitzt jemand an einem Schreibtisch, beurteilt nach Aktenlage und beschließt: Da reicht auch etwas Billigeres.
Es reicht nicht! Sonst wäre das Vorgängermodell schon einfacher gewählt worden.
Komplexe Fälle erfordern individuelle Lösungen. Und die müssen die Menschen erarbeiten, die den Patienten kennen. Da hat unser Versorgungssystem ein Loch, das gestopft gehört.
Wir dürfen in Deutschland froh sein, solidarische Versicherungssysteme zu haben, die die Schwachen auffangen. Aufgabe der Solidargemeinschaft ist natürlich nicht, jedem alle Wünsche zu erfüllen. Aber wer Hilfe braucht, muss sie auch bekommen, menschenwürdig versorgt werden und soweit wie möglich am Leben teilnehmen dürfen. Ein Rollstuhl für spezielle Bedürfnisse ist dann kein Luxus, sondern schlicht eine Notwendigkeit.