Druckartikel: Wurden die Kulmbacher Rottweiler getriezt?

Wurden die Kulmbacher Rottweiler getriezt?


Autor: Jochen Nützel

Ziegelhütten, Freitag, 02. Juni 2017

Jetzt äußern sich die Besitzer der Hunde, die vor einer Woche einen Jungen attackiert haben. Das Paar bedauert den Vorfall und erzählt die Vorgeschichte.
Die Rottweiler "Max" (links) und "Alfons" haben einen neunjährigen Jungen attackiert. Die Hundehalter äußern großes Bedauern, verweisen aber auf permanente Anfeindungen. Foto: privat


"Es gibt nichts zu beschönigen: Das Tor zum Grundstück stand offen. Aber die Hunde waren zu dem Zeitpunkt im Haus, hinter verschlossener Tür, irgendwie kamen sie nach draußen. Wir bedauern außerordentlich, was passiert ist." Mit diesen Worten wenden sich erstmals die Besitzer der beiden Rottweiler, die am Samstag in Ziegelhütten einen Neunjährigen attackiert haben, an die Öffentlichkeit. Wie berichtet, war der Junge am späten Nachmittag am Privatgrundstück der Hundehalter in Ziegelhütten entlang gelaufen, als die beiden sieben Jahre alten Rüden durch das Hoftor ausbüxten und ihm nachrannten. Der Junge stürzte und zog sich eine Platzwunde am Kopf zu.


"Zwickwunden, keine Beißwunden"

Die Hundebesitzer kümmerten sich nach eigenen Angaben sofort um den Neunjährigen und verständigten umgehend den Notarzt. Nach Angaben der beiden hatte der Verletzte zwei sichtbare Abdrücke von Hundezähnen in seinem Arm und blutete an dieser Stelle leicht. "Ich will sicher nichts relativieren, aber sicher ist: Das war ganz bestimmt kein Frontalangriff, das sind Zwickwunden, keine Beißwunden", sagt der Halter.

Seit dem Vorfall würden die Kulmbacher massiv angefeindet, wie sie gegenüber der BR erklären. "Es landen Briefe mit bösartigen Drohungen im Briefkasten. In Internetforen wird über uns geschrieben, man solle uns aufhängen. Wir gehörten eingeschläfert, genau wie die Hunde. Wir haben einen Fehler gemacht - aber das geht dann doch zu weit." Die Kulmbacher haben mittlerweile einen Anwalt eingeschaltet, der die Verleumdungen juristisch prüft.

Die Halter betonen, dass es bislang keine Probleme gegeben habe mit ihren Rüden, die auf die Namen "Max" und "Alfons" hören. "Wir haben vor Jahren freiwillig einen Wesenstest gemacht. Den haben beide Tiere ohne Einschränkung bestanden." Damit sind die Halter sowohl von der Leinen- und Maulkorbpflicht befreit als auch von der deutlich erhöhten Steuer auf so genannte Kampfhunde, die etwa 600 Euro im Jahr beträgt.


Erneute Begutachtung negativ

Nach einer erneuten Begutachtung durch zwei Hundeführer des Operativen Ergänzungsdienstes der Bayreuther Polizei vor wenigen Tagen lautet das Resultat: Die Rottweiler verhielten sich normal, es könne nichts Atypisches festgestellt werden. Bei solchen Hunden, die zur Klasse II gehören, wird geprüft, ob sie ein erhöhtes Aggressionspotenzial aufwiesen.

Die Anfeindungen haben nach den Worten der Hundehalter aber offenbar eine längere Vorgeschichte. "Wir sind vor zweieinhalb Jahren umgezogen nach Ziegelhütten. Wir wohnen in relativer Nähe zur Grund- und Hauptschule und zum Kindergarten. Unsere Rottweiler sind Wachhunde, da kommt es vor, dass sie bellen, wenn jemand am Grundstück vorbeigeht." Schüler hätten sich jedoch immer wieder einen "Spaß" daraus gemacht, die Hunde zu provozieren. "Das waren wohl Mutproben", vermutet die Halterin. Immer wieder seien "Max" und "Alfons" mit Flaschen und Steinen beworfen worden, sogar Pfeffer- und Tierabwehrspray wurde angeblich gegen sie eingesetzt. "Wohlgemerkt waren die Tiere auf dem Grundstück."


Erfolglose Gesprächsversuche

Ob der verletzte Junge zu besagter Clique gehörte, können die Halter nicht bestätigen. "Wir haben jedenfalls häufiger versucht, auf die Kinder und Jugendlichen einzuwirken. Da drangen wir überhaupt nicht durch. Also haben wir mit der Schulleitung gesprochen. Aber auch das blieb erfolglos."

Die weiteren polizeilichen Ermittlungen müssten nun klären, ob eine strafrelevante Schuld der Halter vorliegt, sagt Anwalt Alexander Schmidtgall. "Meine Mandanten fühlen sich moralisch schuldig, es ist für sie eine furchtbare Geschichte. Sie würden gerne Kontakt zu dem Kind aufnehmen und sind um Wiedergutmachung bemüht." Der Haftpflichtversicherung sei der Vorgang bereits gemeldet. "Ob man mit einem Strafverfahren rechnen muss, wird man sehen."

Der Anwalt betont, die Hunde seien nach seinem Dafürhalten nicht gefährlich. "Die Halter haben diese Rasse seit 25 Jahren - es gab noch nie Auflagen seitens der Stadt. Lediglich der Zaun um den Hof musste verstärkt werden."


Beißstatistik: Schäferhund und Mischling liegen vorne

Auswertung 2016 legten die Bundesländer eine "Beißstatistik" vor, die unter anderem im Deutschen Ärzteblatt zitiert wird. Daraus soll ersichtlich sein, wie oft welche Hunderasse wirklich zubeißt. Die Auflistung führt bis zu 50 000 Bissverletzungen pro Jahr auf. Allerdings gibt es für solche Vorfälle keine Meldepflicht - demnach seien die Zahlen geschätzt.

Betroffene Jedes dritte Bissopfer ist demnach ein Kind zwischen 6 und 17 Jahren, ein Viertel aller Bisswunden erleiden Kinder unter sechs Jahren.

Rassen Was die Anzahl der Bisse betrifft, liegen Mischling und Schäferhund vorn: Sie bissen am häufigsten zu. Zur Einordnung der Zahl muss man beachten: Diese Rassen sind besonders beliebt und häufig vertreten - es gibt also zahlenmäßig mehr potenzielle Beißer.