"Wir üben ins Blaue hinein"
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Sonntag, 27. März 2022
Keine Kerwa, kein Straßenfest: Seit über zwei Jahren sind Hobbymusiker zum Nichtstun verdammt. Corona und der Ukrainekrieg erschweren die Planungen.
Der Griff zur Gitarre gehört für Markus Döring mittlerweile wieder zum Alltag. Mal nimmt der 50-Jährige seine Fender von der Wand, dann wieder muss es die Akustikgitarre sein; je nach Liedgut, das er probt. Vor einigen Wochen wurde er als neues Bandmitglied der nicht nur in hiesigen Breitengraden bekannten Formation "Die 3" offiziell vorgestellt.
Nachdem Frontmann Volker Matysiak vergangenen Sommer bekanntgab, dass er nach 30 Jahren der Musik den Rücken kehrt und sich neuen Aufgaben widmen will, waren die beiden Keyboarder Matthias Schramm und Heiko Hahn auf der Suche nach dem berühmten neuen "dritten Mann". Und sie wurden bei Markus fündig. Doch in Pandemie- und Kriegszeiten ist es wahrlich nicht einfach, sich gezielt auf die kommenden Auftritte vorzubereiten. Davon kann die Band buchstäblich ein Lied singen.
Neu durchstarten
Gitarrist Markus ist kein Frischling, was Musik angeht. Er spielte unter anderem bei den "Saitenmalern" mit, später stieß er zu einer Rockband mit Mitgliedern aus dem Kulmbacher, Bayreuther und Hofer Raum. Nach einer längeren Pause will er jetzt wieder durchstarten. "Wer wie ich neu in eine bestehende Gruppe reinkommt, der hat als erstes das Repertoire zu üben. Bei mir sind das auf einen Schlag an die 50 Songs, von Schlager über Rock und Pop bis zum volkstümlichen Gassenhauer." Als Deadline dient der Termin für den ersten Auftritt - im Falle von "Die 3" ist das ein privater, nämlich ein Polterabend im Umland. Noch steht die Festivität im Kalender. Noch. "Der Druck ist da. Aber dazu kommt die Ungewissheit, ob mit Blick auf die Corona-Infektionszahlen überhaupt was geht. Wir üben quasi ins Blaue hinein, weil wir nie die Gewähr haben, dass der ausgemachte Auftritt auch stattfinden kann oder der Veranstalter oder die Familie nicht doch noch einen Rückzieher machen müssen."
Unwägbarkeit einer möglichen Quarantäne
Es stehen weitere Auftritte an, und dafür hat die Band entsprechende Vorbereitungen zu treffen. "Aber Garantie, dass es auch was wird, haben wir nie", sagt Markus. Dazu kommt, dass es immer passieren kann, dass ein Kollege plötzlich ausfällt, weil er Corona-positiv getestet worden ist. Er selber kennt mittlerweile einige Mitstreiter, die selber betroffen waren. "Das bleibt nicht aus, dass das Virus plötzlich zuschlägt und alle Planungen durch Quarantäne wieder zur Makulatur macht."
Altstadtfest-Planungen laufen an
Corona und die Unsicherheit, was geht und was nicht? Was das bedeutet, weiß auch Armin Kull: Er organisiert zusammen mit zwei anderen Kollegen als Straßenzugbeauftragter den Marktplatz beim Altstadtfest. Das zieht in der Spitze pro Tag bis zu 20.000 Menschen in die Stadt. Zwei Absagen liegen hinter ihm. Und heuer? "Wir haben die Aussage der Stadt, dass das Event höchstwahrscheinlich stattfindet. Und so gehen wir jetzt die Vorbereitungen an. In dieser Woche treffen wir uns, wir bereiten uns sozusagen imaginär vor." Kontakte zu Bands sind ebenfalls geknüpft. "Das resultiert noch aus dem Jahr 2020, denn dafür waren die Planungen komplett abgeschlossen." Bis der Lockdown kam. Nun geht es darum, die angefragten Bands von damals wieder zu aktivieren. "Die Musiker sind heiß darauf, wieder aufzutreten."
"Safari" hat sich aufgelöst
So wie Hermann Horner. Der Kasendorfer ist nach fast zwei Jahren durchgängiger Zwangspause sicher: "Zum Glück müssen meine Musikerkollegen und ich, die wir das alles als Hobby betreiben, nicht davon leben. Es würde ganz düster ausschauen." Das war es aber auch schon mit dem "positiven" Aspekt. Für den Schreinermeister mit eigenem Betrieb ging durch Lockdown & Co. viel an Kultur kaputt, gerade auf den Dörfern. "Da weiß jeder, wie wichtig ein Straßenfest oder eine Kerwa ist." Der 60-Jährige, der seit drei Jahrzehnten an Akkordeon, Keyboard und Tenorhorn der Musik frönt, musste in den vergangenen beiden Jahren auch einen Abschied verkraften: "Unsere Band ,Safari' hat sich in dieser Phase mehr oder weniger offiziell aufgelöst."
Dem Kasendorfer bleibt sein Engagement bei den "Oberfranken Rebellen" mit seinen Kollegen Mario Landmann und Marco Hagen. "Unser bislang letzter Auftritt war vor über zwei Jahren zur großen Faschingsfete in Mistelgau." Seither kamen einige wenige zögerliche Anfragen, vor allem von Privatleuten. "Vergangenen Sommer haben wir eine Hochzeit gespielt, mehr war nicht drin. Die Ausrichter von Kerwas oder Stadtfesten halten sich alle noch bedeckt. Da will sich keiner zu weit aus dem Fenster lehnen, was ja verständlich ist, denn wer macht sich schon gerne Arbeit für die Katz'? Corona wirkt ja nach, und jetzt kommt noch der Ukraine-Krieg dazu."