"Wir Fachärzte wurden getäuscht"
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Freitag, 08. Juli 2022
Wie steht es um die fachärztliche Versorgung? Augenarzt Gernot Petzold sieht dunkle Wolken aufziehen.
Wenn scheinbar alles rund läuft in der medizinischen Versorgung, fragt keiner nach den Hintergründen. Doch die Fehler im System sind gravierend, sagt Gernot Petzold. Der Facharzt für Augenheilkunde will die Öffentlichkeit wachrütteln. Er ist überzeugt: "Kliniken bedeuten zunehmend alles im Gesundheitswesen - wir Niedergelassenen aber offenbar wenig bis nichts mehr."
Die Wogen um die verkaufte Radiologie-Praxis Pfaffenberger sind noch nicht verebbt, die Verhandlungen zwischen den Kliniken in Kulmbach und Bayreuth um die Aufteilung des Sitzes laufen. Sehen Sie weitere Facharztpraxen gefährdet?
Gernot Pe tzold: Es ist in erster Linie der immer stärkere Zwang zu Reglementierungen und bürokratischen Eingriffen in die Praxistätigkeit, die meine Kollegen verzweifeln und schließlich aufgeben lassen. Dazu kommt aber entscheidend jenes Vorgehen, wie wir es im besagten Fall Pfaffenberger erleben: Medizinische Versorgungszentren, also MVZ, die im Besitz von Kliniken sind, kaufen Praxen oder einen Praxissitz zu deutlich erhöhten Preisen auf. Diese Preise kann ein Arzt, der sich in einer Einzelpraxis gerne niederlassen würde, nicht mehr aus seiner Praxistätigkeit stemmen.
Bedeutet das: Klinik schlägt im Zweifelsfall niedergelassene Praxis?
Um genau diesen Verlust von Niederlassungen zu verhindern, haben sich vor zehn Jahren die Mitglieder des Facharztvereins zusammengeschlossen, um gemeinsam mit dem Klinikum die freiwerdenden Facharztstellen mit angestellten Fachärzten, die die Praxis in gleicher Weise weiterführen, aufrechtzuerhalten. Doch es kam anders. Man muss es so hart sagen: Unter Täuschung der Fachärzte kaufte das Klinikum die freiwerdenden Facharztstellen für ein eigenes MVZ zu überhöhten Preisen. So gingen in Kulmbach zuerst eine internistische Niederlassung, danach ein Urologen-, ein Orthopädie- und ein Neurologie-Sitz ans Klinikum. Diese Praxen waren für die allgemeine fachärztliche Versorgung der Kulmbacher verloren gegangen.
Hat hier der Gesetzgeber den Weg in eine falsche Richtung gewiesen?
In der Tat. Entgegen allen anderslautenden Beteuerungen haben die Gesundheitsminister der letzten 20 Jahre sukzessive Maßnahmen getroffen, die die Tätigkeiten von niedergelassenen Ärzten immer mehr erschweren und die Tätigkeiten von MVZ immer weiter fördern. So erhält ein MVZ generell zehn Prozent mehr Honorar als ein Arzt in Einzelpraxis. Hier könnte auch die kassenärztliche Vereinigung Bayern nichts daran ändern, da es sich um gesetzliche Regelungen handelt, die die KVB nicht umgehen kann.