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Windpark-Streit: Umweltschutz wird ausgeblendet


Autor: Alexander Hartmann

Lochau, Donnerstag, 09. Februar 2017

Im Streit um den Windpark Vogelherd zwischen Thurnau und Eckersdorf hat der Rückzug der Klägerin vor dem Verwaltungsgerichtshof viele überrascht.
Ob die Windräder, die bei Lochau entstehen (Bild), eine Todesfalle für Vögel sind? Foto: Alexander Hartmann/Archiv


Die Frage, ob die Rotoren der acht Windräder, die sich bald bei Lochau (Markt Thurnau) und Busbach (Eckersdorf) drehen, eine Todesfalle für Vögel und Fledermäuse sind, wird nun nicht mehr neu beleuchtet. Auch wenn es Bedenken gibt, die nicht nur Anwohner haben, sondern die auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof teilt, der im Dezember angedeutet hat, dass im Genehmigungsverfahren für den Windpark Vogelherd wohl eine Umweltverträglichkeitsprüfung vonnöten gewesen wäre.


Der Baustopp

Die Münchner Richter hatten die Berufungen der Lochauerin Andrea Balzer zugelassen, die gegen die von den Landratsämtern in Kulmbach und Bayreuth erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen für den Bau der Windmühlen geklagt hatte. Der VGH hat in der Folge sogar einen Baustopp verhängt, weil die 2015 erteilten Genehmigungen rechtswidrig sein dürften und die Umweltauswirkungen auf Vögel und Fledermäuse erheblich sein könnten. Ein Aspekt, der möglicherweise nicht ausreichend beleuchtet worden ist.


Die außergerichtliche Einigung

Ob dem so ist? Eine Frage, die den Windpark-Streit in den letzten Monaten bestimmt hat, die jetzt aber vom Tisch ist. Denn am Mittwoch, kurz vor der Verhandlung vor dem 22. Senat des VGH, haben sich die Klägerin und der Windpark-Investor, die Trianel GmbH aus Aachen, geeinigt (BR vom Donnerstag).
"Ich denke, meine Mandantin kann mit der Einigung zufrieden sein", hat der Kulmbacher Rechtsanwalt Stefan Kollerer erklärt. Zur Frage, ob es eine finanzielle Übereinkunft gegeben hat, wollte er sich nicht äußern. Darüber sei zwischen den Parteien Stillschweigen vereinbart worden, sagte auch Trianel-Pressesprecher Maik Hünefeld.


Die Landratsämter sind raus

Ob Geld geflossen ist oder nicht: Es ist eine Einigung, die die Landratsämter aus der Schusslinie nimmt, denn darüber, ob ein Verfahrensfehler begangen worden ist, wird jetzt nicht mehr verhandelt. "Es besteht kein Prüfungsbedarf mehr. Das sieht unser Rechtssystem so vor", sagt dazu der Pressesprecher des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, Klaus Löffelbein, und führt weiter an: "Ob ein Verfahren weiter betrieben wird, entscheidet der Kläger." Und den gibt es nicht mehr, nachdem Andrea Balzer ihre Berufung ebenso wie den Eilantrag, der den Baustopp zur Folge hatte, zurückgezogen hat.


"Verwunderlich"

Für Vogelexperten ist das Prozedere nicht nachvollziehbar. "Wenn die Auswirkungen auf die Vogelwelt im Genehmigungsverfahren tatsächlich nicht richtig beleuchtet worden sein sollten, ist das doch verwunderlich", stellt Erich Schiffelholz fest, der Kreisvorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz. "Wenn es in dem landkreisübergreifenden Gebiet Zeiten geben sollte, in denen Fledermaus-Schwärme unterwegs sind, hätte ich damit schon ein Problem."
Ob die Berufungen der Anwohnerin Erfolgsaussichten hatten? "Wenn wir es darauf angelegt hätten, hätten wir sehr gute Chancen gehabt", sagt dazu Rechtsanwalt Stefan Kollerer.


Die 10-H-Regelung

Dabei war es seiner Mandantin im juristischen Streit ursprünglich darum gegangen, dass die Windräder zu nah an ihrem Wohnhaus stehen. Die Klägerin wollte den Windpark-Bau stoppen. Die Lochauerin hatte damit argumentiert, dass die 10-H-Regelung, wonach der Abstand zur Wohnbebauung zehn Mal so groß sein muss wie die Höhe der Windräder, auch beim Windpark Vogelherd hätte gelten müssen.
Das hat das Verwaltungsgericht in Bayreuth allerdings völlig anders gesehen und festgestellt, dass die Bauantrags-Unterlagen schon vor dem Stichtag (17. November 2014 ) eingereicht worden sind.



Ein Kommentar zum Thema

Geld regiert die Welt - und wohl auch deshalb hat sich im Lochauer Windpark-Streit am Ende das europaweit tätige Energieversorgungsunternehmen Trianel durchgesetzt. Ein richterliches Urteil war da gar nicht vonnöten. Durch den Rückzug der Klägerin ist der Weg frei: Die Bauarbeiten an der Landkreis-Grenze Bayreuth-Kulmbach können nun fortgesetzt werden - die acht Windräder gehen wohl schon im Frühjahr ans Netz.

Dass die 10-H-Regelung beim Windpark Vogelherd nicht berücksichtigt werden musste, die Windräder daher keinen Zwei-Kilometer-Abstand zur Wohnbebauung einhalten müssen, war am Ende gar nicht mehr strittig. Es ging um das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren, das wohl fehlerhaft war. Auch die Frage, ob Vögel oder auch Fledermäuse bedroht sind, wurde, so die Einschätzung des Verfassungsgerichtshofs, wohl nicht ausreichend beleuchtet.

Mit einer erfolgreichen Berufung vor dem VGH in München hätte die Anwohnerin den Windpark sicherlich nicht mehr verhindert, sie hätte ihn aber auf unbestimmte Zeit ausgebremst. Für den Eigentümer, die Trianel GmbH aus Aachen, hätte das erhebliche finanzielle Einbußen zur Folge gehabt. Dass die Klägerin dem Deal vor der Verhandlung zugestimmt hat, kommt dem Energieversorger entgegen.

Ob die Umwelt im Windpark Vogelherd ausreichend geschützt wird, ob Rotoren eine Todesfalle für Vögel und Fledermäuse sind, das wird nun nicht mehr neu bewertet. Für Laien eine Farce, für Juristen allerdings geltendes Recht. Denn: Wo kein Kläger (mehr), da kein Richter. Und Tiere kennen keinen Rechtsanwalt.