Druckartikel: Wildnis im Wald? Wo Totholz ins Geld gehen kann

Wildnis im Wald? Wo Totholz ins Geld gehen kann


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Dienstag, 19. Juli 2016

Mehr Wildnis wagen inmitten der Kulturlandschaft - funktioniert das? Naturschützer und Umweltministerium sehen Waldbesitzer in der Pflicht.
Totholz ist wertvoll. Aber kann man von Waldbesitzern verlangen, zwangsweise zehn Prozent der Flächen aus der Nutzung herauszunehmen? Das Bundesumweltministerium will dies fordern, Waldbesitzerverbände sehen darin eine staatlich forcierte Enteignung. Foto: Jochen Nützel


"Die Wildnis ist es, die die Welt bewahrt." Ein Spruch aus der Feder von Henry David Thoreau, ein US-amerikanischer Schriftsteller und Philosoph des 19. Jahrhunderts. Er hatte ein besonderes Faible für den Forst. "Wenn ein Mann die Hälfte eines Tages in den Wäldern aus Liebe zu ihnen umhergeht, so ist er in Gefahr, als Bummler angesehen zu werden; aber wenn er seinen Tag als Spekulant ausnützt, jene Wälder abschert und die Erde vor der Zeit kahl macht, so wird er als fleißiger und unternehmender Bürger geschätzt. Als wenn eine Gemeinde kein anderes Interesse an ihren Wäldern hätte, als sie abzuhauen!"

Zugegeben: Mittlerweile genießt der Wald nicht nur als reiner Rohstofflieferant Wertschätzung, sondern auch als Refugium für viele Arten und nicht zuletzt Erholungs- und Ruheraum für den Menschen.

Der Baumbestand in Deutschland hat mit mehr als 90 Milliarden Exemplaren (laut Bundeswaldinventur 2013) weiter zugelegt. Und trotzdem: Geht es nach dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) und auch dem Bundesumweltministerium (BMUB), dann genügt eine nachhaltige Bewirtschaftung allein nicht. Und so steht als Ziel, dass auch in Privatwäldern mehr Flächen ausgewiesen werden sollen, die sich selber überlassen bleiben.

Auf der Homepage des Ministeriums heißt es dazu: Anders als für Landwirte gebe es für Waldbesitzer kaum Entlohnungsmöglichkeiten für gelebten Naturschutz. "Das BMUB wird sich dafür einsetzen, dass die Landesverwaltungen entsprechende Programme anbieten und dass - etwa in der neuen Gemeinschaftsaufgabe zur ländlichen Entwicklung - Mittel bereitgestellt werden, damit auf zehn Prozent der Fläche des Privatwaldes langfristige Vertragsnaturschutzprogramme wirksam werden. Befürwortet wird ein besonderer Schwerpunkt auf Tot- und Altholzprogramme."

Zehn Prozent - bei der Größenangabe gerät mancher Waldbesitzer ins Stocken. Denn zehn Prozent bedeutet: etwa 700 000 Hektar bundesweit. Ein "enteignunsgleicher Eingriff" sei das, moniert unter anderem der Verband Deutscher Kommunalwald. Und spricht von Ertragseinbußen in Milliardenhöhe.

Bestrebungen, einen höheren Prozentsatz an Waldflächen quasi stillzulegen und so aus der Nutzung zu nehmen, kennt Försterin Carmen Hombach bereits aus anderen Bundesländern. "Es geht hier vor allem um Staats- und Kommunalwälder aber auch im Privatforst gibt es eine paar Sahnestückchen, wo man sich das vorstellen kann." Die Kulmbacherin betont, das Bayern hier dezidiert einen anderen Weg gehe. "Man muss aufpassen, dass es nicht einer staatlich bestimmten Enteignung gleichkommt."


Tropenholz ist keine Alternative

Und auch aus Sicht der Waldbesitzervereingung Kulmbach-Stadtsteinach, deren stellvertretende Vorsitzende Carmen Hombach ist, sieht sie andere Möglichkeiten. "Artenschutz kann auch gelingen mit schonender Waldnutzung." Auf den Rohstoff Holz aus der Region zu verzichten, sei eine Milchmädchenrechnung. "Wir brauchen den Rohstoff Holz, es hängen ja auch viele Arbeitsplätze dran. Wo sonst soll der Rohstoff alternativ herkommen? Aus den Tropenwäldern, wo häufig Raubbau betrieben wird? Das ist sicher nicht die bessere Lösung."

Durch eine entsprechende Bewirtschaftung ließe sich auch lokal ein naturnaher Dauerwald auf der Fläche halten. "Der gewünschte Artenreichtum ist nach meinem Dafürhalten gegeben, die Vielfalt der Tiere und Pflanzen hier bei uns ist wirklich erstaunlich." Natürlich gelte es, verstärkt reine Nadelwälder in Mischbestände mit hohem Laubholzanteil umzubauen; das gebiete schon die Reaktion auf den Klimawandel. "Der bayerische Waldbesitzerverband ist sehr engagiert, auch das Landwirtschaftsministerium. Inwieweit sich da die Ministerien auf Bundes- und Landesebene einigen und wer das Sagen zum Thema Flächenstilllegung hat, ist eine Sache der Politik. Aber ein von oben verordneter Eingriff ins Eigentum ist für mich immer die schlechtere Variante. Ich setze viel mehr auf die Kooperation mit den Waldbesitzern."

Immerhin zwei Drittel der bayerischen Waldflächen sind laut Carmen Hombach in privater Hand. Und auch im Privatforst gebe es mannigfache Bestrebungen zum Umbau. "Die Krux ist, dass die Bestände oft sogar zu wenig genutzt werden, etwa weil die Eigentümer nicht vor Ort sind. Da bleiben große Teile sich selber überlassen mit der Folge, dass notwendiges Durchforsten unterbleibt. Es kommt kaum Licht auf den Boden. Das aber ist nötig, damit eine stabile Humusschicht aufgebaut werden kann, auf der der stabile Wald von morgen wächst."
Die Möglichkeit, Totholz als Nahrungsquelle im Wald zu belassen, habe jeder. "Wenn eine Buche umbricht, ist das kein Problem. Eine vom Borkenkäfer befallene Fichte liegen zu lassen, birgt hingegen große Ge fahr, dass ein gesamter Bestand und auch Nachbarflächen in Mitleidenschaft gezogen werden."

Und was ist mit dem monetären Ausfall? Das ließe sich, so die Försterin, über das eingangs besagte "Vertragsnaturschutzprogramm Wald" regeln. Zum Beispiel dadurch, dass es für stehengelassene Bäume eine Art von Wertausgleich gibt. Im Moment sei die finanzielle Ausstattung allerdings noch nicht besonders hoch. "Vielleicht wird es mehr, wenn die Nachfrage steigt."