Wiederholt sich Geschichte? Schüler kritisieren Hitler-Darstellung in "Er ist wieder da"
Autor: Dagmar Besand
Kulmbach, Donnerstag, 18. Februar 2016
Schüler diskutierten auf Einladung der Bayerischen Rundschau über den Hitler-Film "Er ist wieder da".
Das Gedankenspiel ist verstörend, aber dennoch reizvoll: Was wäre, wenn Adolf Hitler plötzlich ins heutige Deutschland zurückkäme? Wie würden die Menschen auf ihn reagieren? Haben sie aus der Geschichte gelernt? Und wie würde er selbst sich verhalten? Würde er versuchen, da weiter zu machen, wo 1945 Schluss war? Ein Gedanke - viele Fragen, die der Film "Er ist wieder da" mit den Mitteln der Satire zu beantworten versucht.
Ein Leserbrief gab den Anstoß
Aber was ist, wenn die Satire nicht als solche verstanden wird? Die Schüler des Oberkurses V2 der Fachschule für Heilerziehungspflege Himmelkron gewannen diesen Eindruck, als sie sich den Film gemeinsam ansahen. "Wir haben das beklemmende Gefühl, dass mancher hier erst mit braunem Gedankengut infiziert wird", schrieben sie daraufhin in einem Leserbrief an die Bayerische Rundschau. Und sie stellten die Frage, warum der Film unkommentiert in den Kinos gezeigt wird."Er ist wieder da" ist ein Streifen, der provoziert und polarisiert. Was gelingt den Filmemachern und was nicht? Um diesen Fragen im Detail auf den Grund zu gehen, hat die Bayerische Rundschau die Leserbriefschreiber mit ihren Lehrerinnen Ulrike Horn und Alexandra Gleich zu einer Sondervorführung mit anschließender Diskussion ins Kulmbacher Kino eingeladen und als weitere Gesprächspartner Gäste gewonnen, die sich intensiv mit dem Thema befasst haben: Historiker Wolfgang Schoberth, Andreas Gaube vom Thomas Filmtheater und Jugendzentrumsleiter Stefan Lehner. Unter der Regie von Redaktionsleiter Alexander Müller entwickelte sich eine kontroverse Diskussion.
"Ich bin schockiert"
Auch nachdem sie den Film zum zweiten Mal gesehen hatten, blieben die Schüler bei ihrer Meinung: "Statt niveauvoller Satire zeigt er geschmacklose Comedy" - so hatten sie es im Leserbrief formuliert. Silvia Sommer brachte ihre Emotionen auf den Punkt: "Ich bin schockiert zu sehen, wie die Menschen auf der Straße auf die Hitler-Figur reagieren, dass so viele ihm heute wieder folgen würden." Und Christina Hofmann meint: "Es ist schwierig, das als Satire zu sehen, angesichts der aktuellen Stimmung in unserem Land. Es gibt Szenen, über die ich nicht lachen kann. Ich finde den Film erschreckend."Soll man denn über den Film lachen? Historiker Wolfgang Schoberth, der sich seit vielen Jahren mit dem Nationalsozialismus und seinen Folgen beschäftigt, half bei der Einordnung: Der Umgang mit der Figur Hitler habe sich in den vergangenen 70 Jahren stark gewandelt. Nach dem Krieg wurde der Diktator dämonisiert, heute geht es entweder um intime Details aus seinem Leben, oder er wird als Comicfigur, als Kasper-Hitler dargestellt. "Diesen Trend verstärkt der Film", meinte er. Er sei cineastisch sehr gut gemacht und habe viele Vorzüge, so das Urteil des Historikers. "Aber was der Film nicht leistet, ist Aufklärung. Er beschreibt nicht die Dynamik der Figur Hitler, die Gefährlichkeit, die von ihm ausgeht."
Schoberth warnte davor, Hitler als lächerliche Figur zu sehen. "Das war er keinesfalls. Er kannte die Menschen, packte sie mit den Themen, die ihnen wichtig waren. 1928 war er in Kulmbach. Die halbe Stadt hat ihm zugejubelt. Damals hat man seinen Machtinstinkt, seine Brutalität unterschätzt."
Einig waren sich alle Diskussionsteilnehmer darin, dass die Altersfreigabe ab zwölf Jahren nicht sinnvoll ist: Zwölfjährige seien mit der Bewertung überfordert. Johannes Hienert: "In diesem Alter hat man kaum Ahnung von Geschichte. Und in dem Film wird nicht erwähnt, wieviel Tote Hitler zu verantworten hat."
Das ist einer der wichtigsten Kritikpunkte der Schüler: Hitler wird dargestellt als ein Mensch, der sich ums Volk kümmert, um die Sorgen der einfachen Leute, nicht als Massenmörder.
Für Andreas Gaube, Theaterleiterassistent Marketing bei der Thomas Filmtheater GmbH Bayreuth, die auch das Cineplex Kulmbach betreibt, ist die filmische Umsetzung der Satire sehr eindeutig. "Der Film ist viel kritischer als das Buch." Dies werde in einer Schlüsselszene deutlich: Eine demente alte Frau erinnert sich und erkennt Hitler als den, der er ist. Mit schreckgeweiteten Augen wirft sie ihn aus ihrer Wohnung.
Angesichts der Pegida-Demonstrationen und einer zunehmenden Fremdenfeindlichkeit, fragen sich die Schüler, ob man gerade in dieser Zeit einen solche Film zeigen sollte. Gaube meint, gerade jetzt sei das wichtig, und der Film macht das in den abschließenden Randale-Szenen deutlich, als der großformatig eingeblendete Hitler sagt: "Damit kann ich arbeiten."
Für Stefan Lehner von der "Alten Spinnerei" steht im Vordergrund, dass der Film zur Diskussion anregt: "Es ist problematisch, Hitler einfach zu verteufeln. Damit macht man es sich zu leicht. Er hatte die Fähigkeit, Leute zu begeistern und zu motivieren, sonst hätte er keinen Erfolg gehabt."