Wie ein Herz das Leben eines Kardiologen veränderte
Autor: Jochen Nützel
Wirsberg, Mittwoch, 12. Sept. 2018
Er hat viele Jahre in der Kardiologie gearbeitet. Doch dann wurde der Ossericher Lutz Thoma selber schwer herzkrank.
Dass Lutz Thoma im Garten in Osserich sitzt, Kaffee mit seiner Frau Chris Harah trinkt und den Kopf der Kleinwagen-großen Wolfshunddame Tamira streichelt, ist ein Wunder. Genauer gesagt: ein Osterwunder. Der 7. April 2018 ist der zweite Geburtstag des 62-Jährigen. An diesem Tag wird ihm in einer siebenstündigen Operation ein Spenderherz eingepflanzt. Das Ende einer Odyssee durch Kliniken und Rehamaßnahmen - von Kulmbach über Augsburg bis Hannover.
Die besondere Note bei diesem Fall: Lutz Thoma hat selber viele Jahre in der Kardiologie gearbeitet. Ein Herzspezialist, der selber herzkrank wird? "Es ist verrückt, aber alles, was ich über das Thema Herzschwäche studiert habe, habe ich an mir festgestellt - nur wollte ich es lange Zeit nicht wahrhaben!" Er selber bezeichnet sich als Workaholic; die Arbeit an einer Rehaklinik in Bischofsgrün stresst ihn, Dienst an Dienst reiht sich, auch an Feiertagen wie Weihnachten, dazu springt er auch für erkrankte Kollegen ein.
2007 fängt sich der Ossericher einen Virus ein, der - wie sich später herausstellt - auf seinen Herzmuskel gegangen ist. "Die Pumpfunktion sank rapide", schildert er die Anfänge der Malaise. Die anfängliche Kurzatmigkeit steigert sich zur veritablen Atemnot, er hat Probleme beim Treppensteigen, schon die kleinste Belastung zwingt ihn in die Knie. Die Hausärztin schreibt ihn krank. Doch als es ihm auch Wochen später nicht besser geht, lässt er sich von einem Kollegen untersuchen. Diagnose: Sein Herz ist bereits so weit angegriffen, dass er nicht mehr als Arzt arbeiten kann. Er wird frühverrentet.
Teufelskreis setzt ein
Das war 2007. Bis zum Februar 2017 kommt er halbwegs klar mit seiner körperlichen Verfassung. "Dann starb meine Mutter. Ich habe zu diesem Zeitpunkt an alles Mögliche gedacht - nur nicht an meine eigene Gesundheit. Dazu kam ein erneuter Infekt." Der Teufelskreis beginnt von vorn. Sein Körper lagert Wasser ein, was das Herz zusehends fordert. "Irgendwann konnte ich nur noch im Stehen schlafen. Ich stand auf, habe mich gewaschen und bin wieder ins Bett. Zu mehr war ich nicht fähig." Ein befreundeter Arzt in Kulmbach schaut sich den Patienten an - und ist alarmiert. Lutz Thoma wird sofort nach Hannover ins dortige medizinische Zentrum zu den Herzspezialisten geschickt.
Zunächst wird ihm eine Herzklappe eingesetzt. Doch es stellt sich heraus: Das Herz ist schon so weit geschädigt, dass er zunächst um die Implantierung einer künstlichen Pumpe nicht herumkomme. "Nicht wenige haben mich da schon aufgegeben", sagt Lutz Thoma. Auf der Eurotransplant-Warteliste für ein Spenderorgan steht er bereits, die Verschlechterung seines Zustands katapultiert ihn weiter nach oben. Kurz nach Ostern muss er auf die Intensivstation. Das Kunstherz ist seine einzige Chance. "Ich habe gesagt, sie sollen noch warten. Ich war mir sicher, ich bekomme ein Herz!"
Und tatsächlich: Am gleichen Vormittag kommt die Nachricht von Eurotransplant: Es ist ein Spenderorgan da! Ein Brite, 58, ist an einem Aneurysma im Kopf gestorben. Mit dem Hubschrauber wird das Organ von der Insel geholt und noch am selben Tag Lutz Thoma implantiert. Seither geht es aufwärts. "Ich habe zum Glück kaum Abstoßungsreaktionen, die Immunsuppression hält sich im Rahmen."
Dass Organspende für den Klinker einmal bedeutend sein würde? "Ich hatte einen Studienfreund mit Niereninsuffizienz, der lange an der Dialyse war und später eine Niere bekam. Da wurde das Thema evident, denn ich bekam direkt vor Augen geführt, wie lebensentscheidend es sein kann, dass diesen Menschen mit einem Spenderorgan geholfen werden kann." Seither hat Lutz Thoma einen Ausweis und ist registrierter Plasmaspender.