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Widerstand in Kasendorf gegen Abrisspläne


Autor: Stephan Tiroch

Kasendorf, Donnerstag, 13. Juli 2017

Die Frage, was aus dem "Schwarzen Roß" wird, beschäftigt Kasendorf. Anders als der Gemeinderat will eine Gruppe von Bürgern beide Gebäudeteile erhalten.
Historische Aufnahme des Gasthofs "Schwarzes Roß" und des 1893 angebauten Düllsaales, über den jetzt diskutiert wird. Foto: Archiv/privat


Seine Blütezeit ist lange vorbei. In der Vorkriegszeit und in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik pulsierte das Leben im Kasendorfer Gasthof "Schwarzes Roß" mit eigener Brauerei, und im angebauten Festsaal (historisches Bild oben, rechts) wurde gefeiert, was das Zeug hielt. Inzwischen ist die Magnusbräu (1861 - 1994) der Familie Düll verschwunden. Die ortsbildprägenden Gebäude in zentraler Lage, die seit 2002 der Gemeinde gehören, dämmern vor sich hin.

Seit Kurzem aber ist Bewegung in die Angelegenheit gekommen. Der Markt Kasendorf kann enorme Fördermittel bekommen, um den unter Denkmalschutz stehenden Komplex aus dem Dornröschenschlaf zu wecken. Dazu wurde ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept (ISEK) in Auftrag gegeben, das seit November vorliegt. Wichtigstes Projekt: das "Schwarze Roß".

Nach den Worten von Bürgermeister Bernd Steinhäuser wird vom Gemeinderat ein Teilabriss favorisiert. Das alte Wirtshaus solle saniert werden, und statt des Düllsaales sei ein Anbau angedacht, "der genau auf die Bedürfnisse der Diakonie zugeschnitten werden soll". Denn als Nutzung seien eine Tagespflegeeinrichtung und altersgerechte Wohnungen vorgesehen. Vor allem der Wirtshaussaal über zwei Geschosse passe überhaupt nicht in das Konzept.

Laut Steinhäuser sind dafür im ISEK-Gutachten 1,35 Millionen Euro einkalkuliert. Die beiden anderen Varianten - Komplettsanierung 4,4 Millionen Euro und Komplettabriss 1,5 Millionen Euro - dürften wohl nicht zum Tragen kommen.


Machbarkeitsstudie abwarten

Er habe, so der Bürgermeister, für den Teilabriss auch schon eine mündliche Zustimmung des Landesamts für Denkmalpflege. Die Gemeinde sei daran interessiert, das Projekt zügig in Angriff zu nehmen: "Man weiß nicht, wie lange die Fördermittel des Freistaats zur Verfügung stehen." Doch zunächst müsse man die Machbarkeitsstudie abwarten, die das beauftragte Thüringer Architekturbüro Anfang 2018 vorlegen soll. "Dann wissen wir genau, was es kostet", so Steinhäuser. Für das Gutachten würden die Gebäude vermessen, die Schadensbilder aufgenommen und die Fundamente und Keller untersucht.

Obwohl die Entscheidungsgrundlage noch gar nicht vorliegt, scheint trotzdem bereits eine Vorentscheidung gefallen. Das stört eine Gruppe von Bürgern, die das komplette Ensemble erhalten will.


"Viel zu schade zum Wegreißen"

Rainer Friedmann und Volkmar Schulze haben Unterschriften gesammelt, wissen über 60 Unterstützer hinter sich: "Wir schätzen diese Gebäude , sie sind ortsbildprägend und haben Potenzial - viele zu schade zum Wegreißen", sagen beide. Sie haben Ideen, wie der Saal für Kulturveranstaltungen, Konzerte, Feste und Feierlichkeiten genutzt werden könnte.

Friedmann, Schulze und ihre Mitstreiter sind jedoch vor allem enttäuscht, weil sie sich von der Gemeinde nicht ernst genommen fühlen. "Wir haben darum gebeten, die Zahlen für die Komplettsanierung erst mal ordentlich zu prüfen, bevor man den Vorschlag verwirft. Aber wir haben nicht mal eine Antwort bekommen." Deshalb will man einen Verein gründen, um die Kommunikation mit der Gemeinde zu verbessern. Sie glauben, dass das Thema noch nicht ausdiskutiert ist.


Der richtige Weg

Eine Einschätzung, die Restaurator Uwe Franke, Wernstein, teilt. "Die Machbarkeitsstudie ist der richtige Weg: Erst den Bestand aufnehmen und den Denkmalwert ermitteln, dann ein Bearbeitungs- und Nutzungskonzept entwickeln." Kreisheimatpfleger Harald Stark, Plassenburg, hält die Gebäude für "bedeutend und denkmalwürdig". Die geschlossene Art-déco-Innenausstattung aus den dreißiger Jahren gebe es weit und breit nicht: "Eine Investition würde sich lohnen." Beide raten dazu, sorgsam und mit Bedacht vorzugehen.


Denkmalliste

Kasendorf, Marktplatz 5 Ehemaliger Gasthof "Schwarzes Roß" - stattlicher zweigeschossiger Halbwalmdachbau, 18. Jahrhundert; angebauter dreigeschossiger Festsaaltrakt, 1893, von August Levermann.


Levermann - Stararchitekt der Gründerzeit

Ende des 19. Jahrhunderts erlebte Kulmbach eine Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs und damit einhergehend einen Bauboom. Auftraggeber waren vielfach die reichen Brauer und die Malzbarone, die sich nicht nur Fabrikgebäude, sondern auch repräsentative Villen und Stadthäuser bauen ließen.

Damals kam der in Gadebusch, Herzogtum Mecklenburg-Schwerin, geborene August Levermann (1848 - 1928) nach Kulmbach. 1873 eröffnete er sein Baugeschäft und schaffte es sehr schnell, zu einem der größten und bekanntesten Baumeister der damaligen Zeit zu werden. Levermann prägte nachhaltig das Bild Kulmbachs in der Gründerzeit.

Durch seine Arbeiten - unter anderem die Prunkvilla Lobinger, Kronacher Straße, die Sandlervilla, das herrschaftliche Haus von Heinrich Meußdoerffer und sein eigenes Wohnhaus (HNO-Praxis Gollner), alle Schießgraben - war Levermann weit über Kulmbach hinaus bekannt. Sein Ruf drang auch nach Kasendorf, wo 1893 die Brauerfamilie Düll beim Stararchitekten einen Anbau ihrer Gastwirtschaft "Schwarzes Roß" in Auftrag gab. Es entstand jener dreigeschossige Festsaaltrakt, über den nun diskutiert wird.