Landkreis Kulmbach: Warum viele Bauern nicht auf "Bio" umstellen
Autor: Adriane Lochner
Ködnitz, Montag, 29. März 2021
Hohe Investitionskosten, fehlende Arbeitskräfte und die fränkische Siedlungsstruktur - es gibt viele Gründe, die die Bauern in der Region vor einer Umstellung auf "Bio" zurückschrecken lassen. Landwirt Michael Sack aus Ködnitz hat es trotzdem getan.
Auf den ersten Blick sieht der Kuhstall von Bio-Landwirt Michael Sack (34) auf dem zur Gemeinde Ködnitz gehörenden Maierhof nicht anders aus als ein konventioneller: In einer großen, hellen Halle können sich die Kühe frei bewegen, Silage vom Gang fressen oder in einer mit Stroh gepolsterten Liegebox ruhen. "Der wichtigste Unterschied ist, dass die Kühe mehr Platz haben. Doppelbelegung beim Fressen oder Schlafen gibt es hier nicht", erklärt der Landwirt.
2016 hat er seinen Milchviehbetrieb auf Bio umgestellt. Dabei musste er zunächst die Richtlinien der europäischen Öko-Verordnung erfüllen. Weil Molkerei und Einzelhandel die Bio-Milch nicht unter dem EU-, sondern unter einem privaten Siegel vermarkten wollen, ist Sack zusätzlich in den Bioland-Verband eingetreten. Zwar muss er einen Mitgliedsbeitrag zahlen, doch "dafür ist die Beratung gut", so der Landwirt. "Vor der Umstellung des Ackerbaus hatte ich keine Angst. Die große Herausforderung war eher, dass ich nicht wusste, wie viel Futter ich brauche." Immerhin galt es, 120 Milchkühe zu versorgen.
Einen kompletten Betrieb auf Bio umzustellen dauert in der Regel zwei Jahre
Zwei Jahre dauert es in der Regel bis ein Betrieb komplett auf ökologische Landwirtschaft umstellen kann. Vor allem geht es dabei um Ackerbau ohne Pflanzenschutzmittel, mehr Stallfläche und Freilauf für Tiere. In der Regel ist ein Stallneubau nötig. Damit verbunden sind hohe Investitionskosten. Warum sich der Umstieg trotzdem lohnt, erklärt Matthias Görl, Fachberater für Ökolandbau am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bamberg: "Der Landwirt, der umstellen will, trifft auf einen Nachfragemarkt. Wir können gar nicht so viel Bio erzeugen, wie wir momentan bräuchten." Der Einzelhandel suche Bio-Produkte aus Deutschland und der Region.
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Derzeit werde noch viel importiert. "Die Erlössituation ist gut", so Görl. Im Gegensatz zu Produkten aus konventioneller Landwirtschaft könne der Handel die Preise nicht diktieren.
Landwirtschaftsdirektor Klaus Schiffer-Weigand aus Kulmbach teilt dazu mit: "Im Dienstgebiet bewirtschaften über 150 Betriebe ihre Flächen nach den Vorgaben des ökologischen Landbaus." Das seien etwa neun Prozent der Betriebe mit etwa 14 Prozent der Fläche, zusammen mehr als 6500 Hektar. Ziel der Staatsregierung sei, dass bis 2030 bis zu 30 Prozent der Betriebe ökologisch wirtschaften. Vor allem für Produkte aus dem Geflügelbereich und Gemüsebau gebe es in der Region Bedarf. Kulmbach sei zwar keine typische Gemüseregion, "der ackerbaumäßige Gemüseanbau wäre aber klimatisch in den Tallagen des Kreises möglich." Steinige Böden wie auf dem Jura seien ungeeignet, so Schiffer-Weigand.
Bayern will mehr Bio-Bauernhöfe: Das braucht es, um im Bio-Sektor erfolgreich zu sein
Um im Bio-Sektor erfolgreich zu sein, brauchen die landwirtschaftlichen Betriebe eine bestimmte Größe. "Bäuerliche Legehennen-Betriebe mit 9000 bis 12.000 Plätzen für die Vermarktung über Packstellen an den Lebensmitteleinzelhandel werden gesucht sowie Öko-Hähnchenmastbetriebe mit 4800 oder 9600 Plätzen und Öko-Putenmastbetriebe mit 2500 Plätzen", so der Kulmbacher Landwirtschaftsdirektor. Der Platzbedarf für Betriebe dieser Größe ist relativ hoch, für Masthähnchen und Öko-Legehennen werden vier Quadratmeter Auslauf pro Tier benötigt. Für 12.000 Legehennen wären das also 4,8 Hektar zuzüglich Stallgebäude und Zufahrt. Zwar gebe es in Kulmbach Landwirte, die über zusammenhängende Flächen dieser Größenordnung verfügen, doch "der Geflügelbereich beinhaltet für viele Betriebe ein neues Produktionsverfahren, auf welches sich auch eingelassen werden muss", erklärt Schiffer-Weigand.
Die Landwirtschaft in der Region ist derzeit geprägt von Milchviehbetrieben. Hier müsse vor der Umstellung die Abnahme der Milch durch die Molkerei geklärt werden, so der Landwirtschaftsdirektor. Und auch hier spiele der Platzbedarf eine Rolle.
"In Nordbayern gibt es ein Problem bei der Umstellung der Tierhaltung", betont Matthias Görl. Das liege an der fränkischen Siedlungsstruktur, die die Weidehaltung erschwert. "Viele Milchviehbetriebe liegen innerorts. Die Landwirte fahren ins Umland, um ihre Flächen zu bewirtschaften und bringen das Viehfutter dann in die Ortschaft." Die Flächen seien zudem häufig gesplittet und für die großflächige Weidehaltung ungeeignet. Im Gegensatz dazu gebe es beispielsweise in Oberbayern viele Einzelhöfe und Weiler, an die die zugehörigen Flächen direkt angrenzen. Wo bisher keine Weidehaltung möglich war, haben Laufhöfe den Zugang zur Weide ersetzt - so wurde die Europäische Öko-Verordnung in Bayern ausgelegt. Es kann sein, dass diese Regelung bald verschärft wird. Der Zugang zur Weide wäre dann Pflicht. Zahlreiche Landwirte stünden dann vor der Frage, wie sie ihre Kühe ins Grüne bringen.
Auch bei Schweinen und Geflügel braucht man im Bio-Betrieb mehr Platz und einen Zugang nach draußen. "Sauen mit Ferkeln brauchen die doppelte Fläche im Vergleich zur konventionellen Haltung." Zudem mache die Tierhaltung schlichtweg mehr Arbeit - bei einer bestimmte Größe seien zusätzliche Arbeitskräfte erforderlich, die sich die meisten Betriebe gar nicht leisten können. "Wenn er nur Ackerbau betreibt, hat der Landwirt ein wesentlich schöneres Leben. Viele geben daher die Tierhaltung auf", so Görl.
Landwirt Michael Sack hat Glück. Er hat an seinem Stall angrenzende Weideflächen, groß genug für 120 Milchkühe. Der Bioland-Verband, in dem er Mitglied ist, fordert die Umstellung auf Weidehaltung zwar erst bis 2030, doch auf dem Maierhof dürfen diesen Samstag bereits die ersten Kühe auf die Weide - 700 Quadratmeter wird jede einzelne künftig zur Verfügung haben.
Kritik an staatlicher Flächenförderung
Als Grund für die frühe Umsetzung nennt Sack die Förderung, die es derzeit im Rahmen des Kulturlandschaftsprogramms (Kulöp) für die Sommerweide gibt. Generell wird die Umstellung auf ökologischen Landbau durch das Kulap gefördert. Während der Umstellungszeit erhalten die Landwirte 350 Euro pro Hektar, danach 273 Euro für die Beibehaltung der Öko-Bewirtschaftung von Acker- und Grünflächen. Dieses System der Flächenförderung hält Landwirt Sack nicht für sinnvoll.
"Die Förderung pro Hektar reicht nicht, um die steigenden Pachtpreise zu kompensieren." Auf diese Weise würden nur solche Landwirte gefördert, die viel eigenes Land besitzen. Sack zufolge wäre es besser, die Produkte zu fördern und zwar über den Preis. "Was hilft es dem Verbraucher, wenn er günstige Produkte kauft, ihm aber über die Steuerkasse das Geld genommen wird."