Wenn Covid-19 nicht enden will
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Sonntag, 20. Februar 2022
Eine 51-jährige Kulmbacherin kämpft auch 18 Monate nach ihrer Covid-19-Infektion noch immer mit den schweren Folgen des Virus.
Als ihre Tochter und ihr Mann im September 2020 sich mit Covid-19 infizieren, aber nach einigen Tagen wieder gesund sind, denkt sich Vera Bartels* (Name geändert): Puh, nochmals gut gegangen. Dann aber erwischt sie selber der Virus mit voller Wucht. Aus dem schweren Verlauf ihrer Erkrankung nimmt sie eine bleibende Erinnerung mit: Long Covid. Die 51-Jährige droht zu verzweifeln, es folgt ein psychisches Auf und Ab. Sie kämpft sich dank medizinischer Hilfe und unbändigem Willen zurück - und ist dennoch oft am Rande der Belastbarkeit. Wie es sich damit lebt, hat sie uns erzählt.
Frau Bartels, Long Covid wabert als dumpfer Begriff durch die Medien. Was es aber genau bedeutet, können nur Betroffene wie Sie schildern. Sie zählen zu einer Menge X, die niemand ganz genau beziffern kann. Was ist Ihnen widerfahren?
Kurz nach den ersten Erkältungssymptomen brach sozusagen die Hölle los. Ich befand mich zehn Tage in einem Stadium mit hohem Fieber, es fühlte sich an wie Koma. Ich war unfähig, mich zu bewegen, meine Muskeln taten höllisch weh, meine Haut warf vor allem an den Beinen regelrechte Blasen, Geruch und Geschmack waren weg. Gottlob konnte ich, auch dank des Einsatzes meiner Hausärztin, diese Zeit daheim überstehen und musste, weil wenigstens meine Sauerstoffsättigung passte, nicht wie andere Betroffene in die Klinik. In der akuten Phase wurde ich mit Cortison und Thrombosespritzen behandelt, denn ich konnte tagelang nicht aufstehen. Ich konnte gar nichts mehr, nicht mal mehr klar denken. Ich gebe zu: Ich hatte echte Todesangst und mir war wichtig, dass ich daheim bin, wenn ich sterben sollte.
Irgendwann lassen für gewöhnlich die akuten Schmerzen und Symptome nach und der Körper regeneriert sich. Wann haben Sie bemerkt, dass das bei Ihnen nicht der Fall ist?
Das war mir relativ schnell klar, dass es so leicht nicht wird. Ich sage immer: So muss sich ein Schlaganfall-Patient fühlen. Ich konnte nicht mehr laufen, es ging einfach nicht. Der Körper versagte den Dienst. Ich vermute, dass es nicht nur an der Kraft lag, sondern ich spürbare neurologische Ausfälle hatte. Mit Konzentrationsschwierigkeiten habe ich bis heute zu tun, aber vor allem ist es diese Erschöpfung, diese chronische Müdigkeit, die mich stark einschränkt. Dieses Fatigue-Syndrom kennt man ja als Folge von anderen Infektionen, bei Covid-19 ist das ein oft genanntes Symptom. Dazu kommen die Muskelschmerzen, die in unterschiedliche starker Ausprägung immer wiederkehren. Dazu kommt wie aus dem Nichts ein Tinnitus. Corona ist wie ein Feuerwerk - es kann jeden Tag irgendwo anders im Körper gezündet werden. Und man selber weiß nie wo.
Wie sieht Ihre Behandlung aus?
Zum Glück habe ich hier in Kulmbach sehr gute Fachkräfte an meiner Seite. Ich bekomme unter anderem Ergo- und Osteopathie mit Hirnleistungstraining bei "Die Therapeuten", dazu gehe ich regelmäßig ins Curtanum zum Reha-Sport und zur Physiotherapie, weil mich die Muskelschmerzen sehr beinträchtigen. Inwiefern in Zukunft Medikamente für dieses Krankheitsbild entwickelt werden, muss sich erst noch zeigen. Derzeit kann mir kein Arzt was verabreichen.