Weismain: Arzt ist sauer auf die langsamen Beamten
Autor: Jürgen Gärtner
Weismain, Dienstag, 27. Oktober 2015
Der Weismainer Arzt Christopher Kirsten kritisiert die langen Verwaltungswege. Anlass sind für ihn die Bitten zweier Flüchtlinge.
Natürlich weiß Christopher Kirsten um die Flut an Flüchtlingen, die Tag für Tag nach Deutschland strömt. Deshalb hat er auch gewartet, ob sich etwas tut in dem Fall, mit dem er sich an die Regierung von Oberfranken gewandt hat. Rund drei Monate übte er sich in Geduld. Bis jetzt.
Kirsten ist Facharzt für Allgemeinmedizin, seit vielen Jahren praktiziert er in Weismain. Zu ihm kommen auch Flüchtlinge in die Praxis, die in der Gemeinschaftsunterkunft in dem Jura städtchen leben. Zu ihnen zählen zwei Frauen, eine aus der Ukraine, eine aus dem Irak. Kirsten setzt sich seit Mitte Juli dafür ein, ihnen den Umzug zu ihren Familien nach Schwarzenbeck bei Hamburg beziehungsweise nach Bayreuth zu ermöglichen. Bislang erfolglos. Es gab eine Mitteilung, die Irakerin betreffend. Inhalt: Wegen der Flüchtlingsschwemme könnten solche Anträge derzeit nicht bearbeitet werden.
Der Fall der Ukrainerin ist immer noch in den Mühlen der Behörden. Kirsten schildert ihren Fall: Die 59-Jährige hatte einem ukrainischen Soldaten dabei geholfen, wieder in sein Heimatland zurückzukehren. Dafür wurden sie und ihre Familie mit dem Tode bedroht. Die Frau musste fliehen und kam nach Deutschland. Nun möchte sie zu ihrer Tochter, die in der Nähe von Hamburg lebt, dort eine Wohnung und Arbeit hat.
Schwere Depressionen
Die Frau leide inzwischen an einer schweren Depression. Eine Behandlung hat in den Augen des Arztes wohl nur Aussicht auf Erfolg, dürfte sie zu ihrer Tochter ziehen.
Das hat er auch so der Regierungen von Oberfranken geschildert und um Unterstützung gebeten. Sich sogar an Regierungspräsident Wilhelm Wenning gewandt. Es gab drei kurze Schreiben, zwei von der Regierung und eines vom Beauftragten des Freistaats für die Aufnahme und Verteilung ausländischer Flüchtlinge.
Tenor: Das Schreiben ist eingegangen, es wurde weitergeleitet, man warte auf Antwort. "Und die Frau sitzt immer noch da", sagt Kirsten kopfschüttelnd. Außer, dass "sinnlose Briefe geschrieben wurden, ist im vergangenen Vierteljahr nichts passiert", erklärt der Arzt, der aus Berlin stammt. Dort ist man gewohnt, Klartext zu sprechen.
"Überall in der EU wird gefordert, dass Asylanträge schneller bearbeitet werden. Aber wenn jeder Beamte nur auf die Uhr schaut und sich nicht traut zu entscheiden ...", kritisiert er die langsamen mahlenden Mühlen der Behörden.
Gute Beispiele
Das unterstreicht in seinen Augen auch die Tatsache, dass Sachbearbeiter nur schwer zu erreichen sind. Ein Anruf Freitagnachmittag um 14.12 Uhr - erfolglos. "Und das in so einer Krisensituation." Er ist sauer. Vom Vorschlag Seehofers, mehr Leute zur Bewältigung der Krise einzustellen, hält er nicht viel: "Mehr Beamte haben noch nie einen Verwaltungsprozess beschleunigt, sondern immer mehr Verwaltung produziert."Dass es auch anders gehen kann, dafür nennt er als Beispiel das Landratsamt Lichtenfels und die Leiterin des Gesundheitsamts: "Die helfen, wo sie können."
Das würde die Regierung von Oberfranken im Fall der Ukrainerin auch gerne, sagt der Pressesprecher der Behörde, Oliver Hempfling. "Es ist aber so, dass eine Verlegung über Bundesländer hinweg vom bayerischen Landesbeauftragten organisiert und entschieden wird, der in Zirndorf sitzt. Der fragt seinen Kollegen in Schleswig-Holstein, ob das möglich ist. Und von dort fehlt bis jetzt jede Rückmeldung." Die Regierung von Oberfranken sei außen vor.
Wie sieht es die Regierung von Mittelfranken, die für Zirndorf verantwortlich ist? Pressesprecherin Ruth Kronau-Neef erklärt dazu: "In dem geschilderten Fall fungiert der Beauftragte des Freistaates Bayern für die Aufnahme und Verteilung ausländischer Flüchtlinge mit Sitz in Zirndorf lediglich als Sendebehörde." Das bedeutet: Er leitet alle eingehenden Anträge an die jeweils zuständige Behörde weiter. Das sei am 18. August geschehen und der Antragstellerin noch am gleichen Tag mitgeteilt worden. Die Entscheidung über den Umverteilungsantrag treffe das für Schleswig-Holstein zuständige Landesamt für Ausländerangelegenheiten. Wie lange die Bearbeitungsdauer dort sei, könne auch sie nicht sagen.
Kommentar
Der Ärger bei Christopher Kirsten ist nachvollziehbar: Als Arzt ist er gewohnt, schnelle Entscheidungen zu treffen. Zum Wohl seiner Patienten.Behörden arbeiten anders. Deren Mühlen mahlen oft sehr langsam. Gerade mit Blick auf den derzeitigen Flüchtlingsstrom ist es aber auch verständlich, dass Wünsche wie der der Ukrainerin nicht ganz oben auf der Prioritätenliste stehen. Schließlich ist sie ja in Sicherheit und muss nicht wie in ihrer Heimat um ihr Leben fürchten.
Dennoch: Zeit für "sinnlose Briefe" - wie Kirsten den Schriftverkehr zwischen und mit den Behörden nennt - ist ja auch da.
Und: Selbst wenn der Wunsch der Frau abgelehnt wird, ist eine Entscheidung immer noch besser als das an den Nerven zehrende Hoffen und die ständige Ungewissheit.