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Wehrhaft sind wir schon lange nicht mehr


Autor: Alexander Hartmann

Kulmbach, Sonntag, 13. März 2022

Was ich mit meiner Bundeswehr-Zeit in den 1990-ern verbinde? Neben durchaus lustigen Momenten vor allem eines: Tristesse. Wehrhaft war die Bundeswehr woll schon damals nicht mehr.
Soldaten der Bundeswehr stehen auf dem Appellplatz: In der Debatte um die Aufrüstung der Bundeswehr gibt es auch warnende Stimmen.


32 Jahre ist es nun her, dass ich mich für den Einsatz fürs Vaterland rüsten sollte. Es war 1990, als Deutschland gerade wiedervereint war und im Glauben an das Ende des Kalten Krieges sogleich den Weg Richtung Abrüstung beschritten hat - zugegeben auch zu meiner Freude: Statt 15 Monaten Wehrdienst waren es urplötzlich nur noch 12.

Mehr Frust denn Lust

Doch auch die 12 verbliebenen Monate waren mehr Frust denn Lust. Ich sollte auf dem Schneeberg bei der Luftüberwachung des Grenzraums eingesetzt werden. Weil sich die Sicherheitsprüfung verzögerte, wurde daraus nichts. Was ich dann bekam? Einen anspruchslosen Job. Ich sollte im Nachschub in der Kaserne in Wunsiedel auch Bettwäsche an Soldaten ausgeben, die ich gar nicht ausgeben konnte. Warum? Weil in der Kaserne, die sich schon in der Auflösungsphase befand, kein Soldat mehr übernachtet hat. Zeit totschlagen war angesagt, und nach einem Jahr Bundeswehr musste ich mir eingestehen: Verteidigen könnte ich unser Land nicht.

Auch Unterwäsche fehlt

Das fiele, so weiß man längst, auch den jetzigen Soldaten schwer. Gewehre, die krumm schießen, Schiffe, Panzer und Flugzeuge, die nicht einsatzbereit sind - die Bundeswehr ist alles andere als einsatztauglich. Selbst an einfachsten Dingen wie warmer Unterwäsche mangelt es der Truppe, deren Abschreckungskraft gleich null ist. Ob das 100-Milliarden-Paket, das die Politik nun schnüren will, sie wieder leistungsfähig machen könnte? Experten fürchten, dass das Geld in ineffizienten Strukturen versickert, es zu neuen Rüstungsskandalen und scheiternden Projekten kommt.

Kommt die Wehrpflicht?

Grundlegende Reformen werden deshalb angemahnt. Ob dann vielleicht sogar über die Wiedereinführung der Wehrpflicht diskutiert wird??? Die hatte der Bundesrepublik einst nicht nur Soldaten, sondern mit denen, die keinen Dienst an der Waffe leisten wollten, auch Zivildienstleistende beschert. Und Zivis wären heute in Altenheimen oder Kliniken ja gefragter denn je. Gebraucht würden sie auch in den Gesundheitsämtern, wo sie die Kontaktverfolgung von Corona-Infizierten übernehmen könnten. Eine Aufgabe, die zuletzt Soldaten zugewiesen war. Die müssen sich nun aber wieder um ihren eigentlichen Job kümmern, der vor allem ein Ziel haben sollte: Deutschland wieder wehrhaft zu machen.