Was liegt da in der Luft? Umweltinstitut will Pestizide offenlegen
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Mittwoch, 02. März 2022
Der Einsatz von Pestiziden auf Äckern bleibt heiß diskutiertes Thema. Nun hat das Münchner Umweltinstitut eine Petition gestartet, wonach Bauern künftig angeben müssen, was sie spritzen - zum Schutz von Natur und Bürgern, heißt es.
Für die einen ist es schlicht Gift und ein Artenkiller - für die anderen die unabdingbare Hilfe bei der Feldarbeit. Bei kaum einem anderen Thema in der Landwirtschaft verhaken sich die Meinungen derart stark wie bei der (un?)nötigen Anwendung von Pestiziden. Allein die Namensgebung zeigt den Graben auf: Während Bauern von "Pflanzenschutz" sprechen und sich auf offizielle Zulassungen berufen, kolportieren die Gegner, Stoffe wie Glyphosat und Co. seien nichts anderes als "Vernichtungsmittel" und schädigten nicht nur Umwelt und Artenvielfalt nachhaltig, sondern auch die Bürger, die am Rand der gespritzten Felder leben und nicht einmal genau wüssten, welche potenzielle Gefahr ihnen drohe.
"Recht auf Information"
Nun hat das Umweltinstitut München einen neuen Versuch gestartet, mit einer offenen Petition an die Bundesregierung das Arsenal der freigegeben Mittel in der Landwirtschaft zu hinterfragen, aber vor allem die Nutzung öffentlich bekannt zu machen. Zur Begründung heißt es: "Menschen, die in der Nähe landwirtschaftlicher Flächen wohnen, haben das Recht zu wissen, welchen Pestizidwirkstoffen sie ausgesetzt sind", sagt Vera Baumert, Referentin für Landwirtschaft am Umweltinstitut. "Und auch der Politik sollte daran liegen, dass Pestizideinsätze zentral erfasst und ausgewertet werden. Denn ohne den Status Quo zu kennen, bleibt das Ziel der EU, Pestizide bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren, zwangsläufig ein leeres Versprechen."
Worum es den Antragstellern der Petition geht? Die bisherige Vorgehensweise sieht folgendes vor: Wenn Landwirte Pestizide einsetzen, müssen sie laut Gesetz exakt Protokoll darüber führen, welche Mittel sie wann und in welcher Menge auf welchem Acker ausbringen. Das Problem für die Initiatoren dabei: "Diese Aufzeichnungen werden bisher höchstens stichprobenartig kontrolliert, aber nicht zentral erfasst, ausgewertet und öffentlich gemacht. Nach drei Jahren dürfen die Unterlagen vernichtet werden. Lediglich Informationen über die jährlichen Verkaufszahlen von Pestizidwirkstoffen werden in der EU veröffentlicht. Was tatsächlich auf dem Acker landet, erfährt in der Regel niemand."
Bei den Aufzeichnungen der Landwirte über ihre Pestizideinsätze handelt es sich um so genannte Umweltinformationen, zu denen laut geltendem Recht ohnehin jedem Bürger auf Anfrage Zugang gewährt werden muss. Bislang endeten solche Anfragen auf Zugang zu den Spritzdaten jedoch meist "in zermürbenden Auseinandersetzungen mit den Behörden und nicht selten vor Gericht", so die Initiatoren. Die zuständigen Behörden rechtfertigten eine Ablehnung meist damit, sie würden gar nicht über die Daten verfügen oder der Verwaltungsaufwand, diese zu beschaffen, sei zu groß.
"Darüber hinaus wurde stets der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen als Ablehnungsgrund angeführt." Das dürfe nicht länger als Grund zur Infoverweigerung gelten.
Als Reaktion darauf kommt nun offenbar Bewegung in das Thema: Die Agrarminister der Länder forderten die Bundesregierung um Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir auf, bis zur nächsten Agrarministerkonferenz Ende März Vorschläge zur Änderung der entsprechenden Gesetze vorzulegen und die Schaffung eines einheitlichen Systems zur Erfassung der Daten zu prüfen.
BBV: spürbarer Rückgang
Der Bayerische Bauernverband (BBV) zeigt sich verwundert über diesen Vorstoß aus München. Harald Köppel, BBV-Kreisgeschäftsführer, vertritt eine klare Haltung: "Die Mengen an Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft, die durch ausgebildete und fachkundige Personen eingesetzt werden, sind bekannt." Schwieriger zu bestimmen sei das beim Mitteleinsatz von nicht fachkundigen Personen, die solche Produkte etwa über Baumärkte beziehen. Dabei sei seit Jahren ein spürbarer Rückgang der Menge an Pestiziden in der Landwirtschaft zu konstatieren, sagt Köppel. "Jene erlaubten Mittel am Markt sind erprobt, getestet und bei sachkundiger Anwendung ungefährlich." Zum Umweltinstitut München bekundet er: "Hier handelt es sich um eine private Organisation, die sich durch Spenden finanziert, auch wenn der Name vielleicht etwas anderes suggeriert."