Warum uns die Ukrainer näher stehen als andere Geflüchtete
Autor: Dagmar Besand
Kulmbach, Donnerstag, 05. Mai 2022
Ukrainer dürfen sich bei uns willkommen fühlen, Geflüchtete aus anderen Ländern haben es dagegen oft schwer. Das hat viel damit zu tun, dass die Neuankömmlinge nicht als Fremde empfunden werden, sagt der Bayreuther Soziologe Georg Kamphausen.
Geflüchtete aus der Ukraine werden mit offenen Armen empfangen. Wohnung, Arbeitserlaubnis - alles geht schneller und unbürokratischer als bei der letzten großen Flüchtlingswelle ab 2015. Die Bereitschaft der Deutschen, in jeder denkbaren Weise zu helfen, ist überwältigend.
Warum wir angesichts des Krieges in der Ukraine bereit sind, viel mehr zu tun als für Geflüchtete aus anderen Ländern, darüber haben wir mit dem Soziologen Georg Kamphausen von der Universität Bayreuth gesprochen. Der 67-Jährige ist Professor an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät und sieht gleich mehrere Gründe dafür, dass wir die Ukrainer ganz anders wahrnehmen als Asylsuchende aus anderen Ländern. Und er hält uns einen Spiegel vor, der auch Widersprüche und unbequeme Wahrheiten zeigt.
Warum stehen uns die Geflüchteten aus der Ukraine näher als die aus anderen Ländern?
Georg Kamphausen: Sie sind Europäer, Nachbarn, es gibt viele historische Verflechtungen zwischen unseren Ländern. Lemberg (Lwiw) und andere ukrainische Städte waren früher einmal Dreh- und Angelpunkte Europas.
Was hat sich durch Putins Angriff auf die Ukraine in unserer Wahrnehmung verändert?
Bei allen Europäern sitzt der Schock sehr tief, dass es bei uns in Europa einen Krieg gibt. Im Gegensatz zu militärischen Auseinandersetzungen in anderen Ländern steht jetzt plötzlich zur Debatte, dass dieser Krieg noch näher rücken könnte. Dass es in Syrien Krieg gibt, dass Putin dort den Machthaber Assad unterstützt, dass dort Weltkulturerbe zerstört und Städte zerbombt werden, das wissen wir. Aber diese Grausamkeiten sind weit weg. Sie betreffen uns nicht unmittelbar.
Spielt es für unsere Hilfsbereitschaft eine Rolle, dass es vor allem Frauen mit Kindern sind, die jetzt bei uns Schutz suchen?