Warum Kulmbachs vergessener OB frustriert das Handtuch warf
Autor: Wolfgang Schoberth
Kulmbach, Montag, 10. Sept. 2018
Walter von Pannwitz war einer der prominentesten Strafverteidiger Deutschlands, ein enger Vertrauter Kaiser Wilhelms II. und OB von Kulmbach.
Das Jahr 1891 begann mit einem Knall im Kulmbacher Rathaus: Während der ersten Sitzung des Magistrats am 7. Januar wird ein förmliches Schreiben von Oberbürgermeister Walter von Pannwitz verlesen, in dem er lapidar mitteilt, er werde sein Amt zum 1. Februar niederlegen. Damit endet nach exakt 548 Tagen die kürzeste Amtszeit eines Stadtoberhaupts in der Geschichte Kulmbachs, geprägt von falschen Erwartungen und Enttäuschungen.
Karl Rosenkrantz trat nach 24 Jahren zurück
Dabei war der Anfang hoffnungsvoll. Nachdem Bürgermeister Karl Rosenkrantz 1887 nach 24 Dienstjahren krankheitsbedingt sein Amt niedergelegt hat, suchen die Kulmbacher händeringend nach einem Nachfolger. Erst knapp zwei Jahre später - in der Zwischenzeit versieht der Kaufmann und Magistratsrat Fritz Jahn die Amtsgeschäfte - wird man fündig.
Mehr noch: Man glaubt mit dem als Rechtskonzipient in einer Nürnberger Anwaltskanzlei angestellten Walter Graf von Pannwitz einen idealen Kandidaten gefunden zu haben. Der Einser-Jurist stammt aus einem oberlausitz-schlesischen Uradelsgeschlecht, ist vermögend, kunstsinnig, weltläufig, mit vielen Spitzen der Politik bekannt.
Kein Provinzstädtchen mehr
Dass er sich auf Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht spezialisiert hat, macht ihn aus Sicht des Stadtmagistrats doppelt attraktiv für die großen Herausforderung, vor der Kulmbach 1889 als frischgebackene freie Kreisstadt steht.
Man möge sich erinnern: Kulmbach, die einstige Residenzstadt des obergebirgischen Fürstentums, leidet seit seiner Zugehörigkeit zu Bayern 1810 darunter, zu einem Provinzialstädtchen zweiter Klasse herabgestuft worden zu sein: Die Selbstverwaltung wurde eingeengt, Behörden wurden abgezogen, staatliche Umlagen beschränkt, das Schulwesen verschlechtert.
Nachdem ab den 1830er Jahren durch den Aufschwung der Brauereien die Wirtschafts- und Steuerkraft, vor allem aber auch das Selbstbewusstsein der Fabrikanten enorm angestiegen waren, wuchs der Unmut über den minderen Status ihrer Stadt. Ab 1868 betrieben die Unternehmer vehement die Aufnahme Kulmbachs in das Lager kreisunmittelbarer Städte.
Es dauerte 20 Jahre, bis sich die beiden Rathaus-Gremien verständigten, den Antrag an das bayerische Innenministerium zu stellen. Am 5. April 1889 gab Prinzregent Luitpold dem Gesuch statt. Kulmbach sollte zum 1. Januar 1890 kreisunmittelbare Stadt werden, also nur noch der Regierung von Oberfranken in Bayreuth unterstehen. In dieser schwierigen Übergangszeit übernimmt von Pannwitz die Amtsgeschäfte. Am 21. Juli 1889 wird er von beiden städtischen Gremien einstimmig gewählt und eine Woche später mit großem Bahnhof empfangen. In den Festreden preist man ihn als Hoffnungsträger, fast schon als Heilsbringer. Doch die anfängliche Euphorie der besitzenden Schichten und wohl auch des neuen Oberbürgermeisters selbst weicht bald der Ernüchterung. Pannwitz, der als Vertreter der Stadt in den oberfränkischen Landtag (heute Bezirkstag) entsandt wird, wird dort ständig ausgebremst.