Druckartikel: War in Himmelkron die Kosovo-Mafia am Werk?

War in Himmelkron die Kosovo-Mafia am Werk?


Autor: Stephan Tiroch

Himmelkron, Dienstag, 14. Februar 2017

Im Prozess wegen des vereitelten Raubs forderte der Staatsanwalt hohe Haftstrafen. Fünf Verteidiger machten Zweifel geltend, aber ein Anwalt scherte aus.
Im Bayreuther Casino-Prozess - es geht dabei um den vereitelten Raubüberfall auf das Joker Casino in Himmelkron - wurde am Dienstag plädiert. Im Bild die Anklagebank und vier der sechs Verteidiger; von links: die Rechtsanwälte Silvia Wunderle (Augsburg), Jochen Kaller (Bamberg), Werner Brandl (Kulmbach) und Michael Fiedler (Bayreuth). Foto: Stephan Tiroch


Ein Verbrechen, das gar nicht verübt wurde, wird im Bayreuther Casino-Prozess aufgerollt. Es geht um den vereitelten Raubüberfall auf eine Spielothek in Himmelkron - und es geht um organisierte Kriminalität. Gestern wurde plädiert. Dabei arbeiteten sich der Staatsanwalt und die sechs Verteidiger an der zentralen Frage des Verfahrens ab: Gehören die vier Angeklagten zur Kosovo-Mafia? Zu einer Tätergruppe, die auf Einbruchdiebstähle spezialisiert war und von Hannover und Belgien aus dirigiert wurde.


Halbes Jahr überwacht

Insgesamt hatte das SEK am 28. Juni 2016 acht Tatverdächtige festgenommen - bis auf einen hielten sich alle in einer Bayreuther Eisdiele auf. Es war der Vorabend des geplanten Überfalls auf das Joker Casino im Gewerbegebiet an der Autobahn. Dabei sollten zwei Schusswaffen eingesetzt werden. Ein großer Coup der Polizei in Hannover und Bayreuth, die die Bande seit einem halben Jahr überwacht hatte. Es wurden Telefone abgehört und Personen - fast alle Kosovo-Albaner - observiert.

Vor der 1. Großen Strafkammer wird zwei aus Belgien angereisten Kosovo-Albanern (beide 32) sowie einem Landsmann (37) und dessen Frau (31) aus Bayreuth der Prozess gemacht. Sie kannte sich als frühere Mitarbeiterin in der Spielothek genau aus. Das Pärchen, das in der Untersuchungshaft geheiratet hat, soll Informationen weitergegeben haben. Vier weitere mutmaßliche Bandenmitglieder werden demnächst in Hannover vor Gericht gestellt.


Keine Fußfesseln mehr

Für den 37-jährigen war am Dienstag trotzdem Feiertag. Auf Antrag von Rechtsanwalt Jochen Kaller, Bamberg, wurde der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt. Hörbares Aufatmen bei seinem Clan im Gerichtssaal, als Vorsitzender Richter Michael Eckstein sagte: "Nehmen Sie ihm die Fußfesseln ab." Was sich weniger gut anhörte: die Litanei seiner 15 Vorstrafen. Von Diebstahl über Betrug, Nötigung, Beleidigung und Körperverletzung bis zu Meineid - alles dabei. 21 Monate hat er schon hinter Gitter verbracht.

Die Beweisaufnahme habe, so Staatsanwalt Matthias Eichelsdörfer, die Tatvorwürfe bestätigt: Verabredung zum schweren Raub und Waffenbesitz. Telefonüberwachung, Handyauswertung und Observierung hätten ergeben, dass die Bande nur angereist war, um den Raub zu begehen. Über 20.000 Euro wären die Beute gewesen. Das Bayreuther Paar habe in seiner Wohnung eine Pistole und einen Elektroschocker versteckt und dabei geholfen, das Objekt auszuspionieren. "Für die Angeklagten spricht nichts", sagte der Staatsanwalt. Er forderte für die drei Männer jeweils Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren und sechs Monaten, für die Frau drei Jahre und drei Monate.


Interpretation und Spekulation

Zu einer völlig anderen Auffassung kamen die drei Verteidiger des Bayreuthers. Beweise für eine Mittäterschaft beim geplanten Raub habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, so Rechtsanwalt Kaller. Also: im Zweifel für den Angeklagten, der sich "raushalten wollte". Kaller warf der Polizei vor, in harmlose Gespräche zu viel "reininterpretiert" zu haben.

Beim Waffenbesitz hielten Kaller sowie seine Kollegen Silvia Wunderle, Augsburg, und Werner Brandl, Kulmbach, sieben Monate Gefängnis für angemessen. Eine Strafe, die durch die U-Haft abgegolten wäre.


Wunderle wundert sich

Wunderle wunderte sich ebenfalls über Vermutungen und Spekulationen in den Polizeiakten, die sich nicht bewahrheitet hätten. Laut Brandl wurde trotz Polizeiüberwachung nichts für eine Tatbeteiligung des 37-Jährigen gefunden. "Allenfalls ist es Beihilfe, die im Vorbereitungsstadium straflos bleibt."

Die 31-jährige Angeklagte habe zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen, betonte Rechtsanwalt Michael Fiedler, Bayreuth. Denn sie habe der Polizei das Waffenversteck im Kleiderschrank gezeigt. Er attestierteihr geringe kriminelle Energie, so dass "die geringste Freiheitsstrafe mit Bewährung" ausreicht.

Rechtsanwalt Jörg Stingl, Bayreuth, verlangte Freispruch für seinen "belgischen" Mandanten. Es sei ihm nicht nachzuweisen, dass er zur Bande gehörte. Wegen Einfuhr der Waffe reiche eine kurze Freiheitsstrafe aus.


"Andere gaben Anweisungen"

Aus der Riege der Verteidiger scherte Hilmar Lampert aus. Der Bandenvorwurf treffe für den zweiten "Belgier" zwar nicht zu. "Es ist nicht erwiesen, dass er zu der kriminellen Vereinigung gehörte." Aber seine Tatbeteiligung sei aufgrund der Überwachung offenkundig. "Er hatte eine untergeordnete Rolle, andere gaben die Anweisungen", sagte der Bayreuther Anwalt. Sein Strafantrag: zwei Jahre und neun Monate Gefängnis.

Das Urteil wird am kommenden Montag verkündet.