Wende im Messerstecher-Prozess von Untersteinach: Vollrausch statt Mordversuch?
Autor: Stephan-Herbert Fuchs
Untersteinach, Dienstag, 27. Juni 2017
Im Prozess um die beinahe tödlichen Messerstiche von Untersteinach ist auch am mittlerweile 4. Verhandlungstag noch kein Urteil gesprochen worden.
Die Richter vertagten die Verhandlung erneut, diesmal gleich um über zwei Wochen auf Freitag, 14. Juli, um 12.30 Uhr. Der vorsitzende Richter geht davon aus, dass dann plädiert und auch gleich das Urteil verkündet werden kann.
Der 4. Verhandlungstag könnte unter Umständen aber trotzdem einen Wendepunkt im Prozessverlauf darstellen. Grund dafür ist, dass die Alkoholisierung der angeklagten 22-jährigen Frau aus Untersteinach wohl doch deutlich ausgeprägter war, als bisher angenommen. Richter Eckstein erließ am Ende des Verhandlungstages deshalb auch den rechtlichen Hinweis, dass statt einer Verurteilung wegen versuchten Mordes auch eine Verurteilung wegen vorsätzlichen Vollrausches in Frage kommen könnte.
Dafür spricht die Aussage eines Nachbarn der Angeklagten, der die Frau am Tatabend kurz nach 21 Uhr in einer Hofeinfahrt aufgelesen und aufgrund deren üblen Zustandes zusammen mit einer weiteren Nachbarin erst einmal zu sich genommen hatte. Dort sei die Angeklagte "zig mal hingedonnert", also mehrfach gestürzt, später habe man sie stützten müssen, denn alleine hätte sie nicht die Treppen hinuntergehen können.
Der 22 Jahre alten Frau wird vorgeworfen, am frühen Morgen des 8. Januar diesen Jahres in ihrer Wohnung auf einen schlafenden, gleichaltrigen Bekannten mit einem Küchenmesser zehn Mal eingestochen zu haben. Der Mann erlitt zahlreiche Stichverletzungen unter anderem in der Brust und im Bauch sowie an den Armen und Beinen. Die Angeklagte habe beabsichtigt, den Mann zu töten, heißt es in der Anklageschrift. Die Frau hatte die Tat bereits am ersten Verhandlungstages gestanden, konnte aber kein Motiv nennen.
Geplatztes Sex-Date
Hintergrund ist wohl die Enttäuschung über ein geplatztes Date. Die Angeklagte hatte sich am Nachmittag in der Wohnung einer Nachbarin mit einem anderen Mann getroffen, mit dem sie Sex wollte. Dazu kam es aber nicht, denn ihr Freund, gleichzeitig der Vater ihres Sohnes, war dahinter gekommen und zusammen mit zwei Bekannten in der Nachbarswohnung aufgekreuzt. Der andere Mann verließ daraufhin fluchtartig die Wohnung und fuhr mit dem Zug zurück nach Kulmbach. Die Angeklagte zog sich vorübergehend bei Schnaps und Bier in eine Kneipe zurück. Zuvor leerte sie mit einem anderen Mann noch eine Flasche Wodka pur.Folgt man der Aussage des Zeugen, dann ging der Zustand der Angeklagten deutlich über einen mittelgradigen Rauschzustand hinaus, sagte der als Sachverständige geladene Psychiater. Aufgrund des schweren Intoxikationszustandes müsse man dann sogar von einer aufgehobenen Steuerungsfähigkeit der Angeklagten ausgehen. Stunden nach der Tat wurden bei der Frau noch knapp zwei Promille Blut im Alkohol gemessen. Zurückgerechnet auf den Tatzeitpunkt gegen 1.15 Uhr kam der Sachverständige auf 2,53 Promille.
Übereinstimmend berichteten sämtliche Zeugen des vierten Verhandlungstages, dass die Angeklagte betrunken war, lallte und schwankte, und dass sie total aufgelöst gewesen sei, weil das Rendezvous so gründlich danebengegangen war. Die Bedienung der Kneipe machte sich Vorwürfe, weil sie die Angeklagte aufgrund deren Zustandes nach Hause geschickt hatte.
Die Angeklagte habe sehr viel gelacht und die Sache überhaupt nicht ernst genommen, sagten die Polizeibeamten, die nach den Messerstichen am Einsatzort waren. Die Angeklagte habe gar nicht verstanden, was eigentlich los war, sagte eine Polizistin. Sie habe den Ernst der Lage überhaupt nicht realisiert, so der Kollege von der Polizei Kulmbach.
Die Angeklagte selbst beteuerte am vierten Verhandlungstag mehrfach, dass sie keine Erinnerung mehr an alles habe. Sie habe Alkohol getrunken, weil sie so aufgeregt gewesen sei. Es könne aber schon alles so sein, sagte sie noch, denn: "Wenn ich Alkohol trinke, dann mach ich manchmal Sachen."