Vier Frauen aus Kulmbach helfen in der Krise
Autor: Dagmar Besand
Kulmbach, Montag, 10. Dezember 2012
Seit 20 Jahren unterstützen die Kulmbacher Betreuungsvereine Menschen, die ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. Die Mitarbeiter führen selbst Betreuungen, beraten und begleiten aber vor allem ehrenamtliche, die sich für diese Aufgabe zur Verfügung stellen.
Als Anna R. mit Mitte 70 spürt, dass ihr viele Dinge im Alltag schwer fallen und sie ab und zu Wichtiges vergisst, fängt sie an, sich Gedanken über die Zukunft zu machen. Wer erledigt meine Sachen, wenn ich es nicht mehr kann? Sie spricht mit ihren Kindern, und weil sie großes Vertrauen zu beiden hat, erteilt sie ihnen eine General- und Vorsorgevollmacht. Als sie zwei Jahre später zum Pflegefall wird, ist alles geregelt.
So vorausschauend sorgen bislang nur wenige Menschen vor, und oft fehlt es auch schlicht an einer geeigneten Vertrauensperson. Hätte Anna R. nichts unternommen, wäre ihr ein Betreuer zur Seite gestellt worden - entweder ein ehrenamtlicher aus ihrem Umfeld oder ein Berufsbetreuer.
So gefragt wie nie zuvor
Neben zahlreichen selbstständigen Betreuern gibt es in Kulmbach seit 20 Jahren auch vier Betreuungsvereine. Nachdem 1992 das Betreuungsgesetz das einstige Vormundschaftsrecht abgelöst hatte, gründeten Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonie und Rotes Kreuz die Betreuungsvereine mit professionellen Ansprechpartnern: Sigrun Gremer, Elisabeth Reiser-Klötzer, Lotte Eschenwecker und Rebekka Krauß gewinnen engagierte Bürger für eine ehrenamtliche Tätigkeit als Betreuer und unterstützen sie bei ihrer Aufgabe. Daneben führen sie auch selbst Betreuungen.
Ihr Einsatz ist heute so gefragt wie nie zuvor: "Die Zahl der Betreuungen steigt. Das ist einerseits eine Folge des demographischen Wandels, denn immer mehr pflegebedürfte alte Menschen sind auf unsere Unterstützung angewiesen", sagt Elisabeth Reiser-Klötzer (BRK). Doch auch die jungen Klienten werden zahlreicher: "Suchtprobleme und psychische Krankheiten nehmen zu."
Grundlage für ein Betreuungsverfahren ist immer ein gerichtlich in Auftrag gegebenes ärztliches Gutachten, meist angeregt durch Angehörige, Ärzte, Pflegekräfte oder Nachbarn, die beobachten, dass ein Mensch sein Leben nicht im Griff hat.
Entmündigt wird der Betreute dadurch nicht: "Die Betreuung wird immer nur für den Bereich angeordnet, in dem Handlungsbedarf besteht", sagt Lotte Eschenwecker (Caritas). So kann es durchaus sein, dass jemand sich um seine Gesundheit und seinen Haushalt selbst kümmert, Geldangelegenheiten aber nicht allein regeln kann. Reiser-Klötzer betreut einen solchen Fall: "Eine psychisch kranke Frau kam zu uns und hat ihre Betreuung selbst angeregt, weil sie ihre Ausgaben einfach nicht im Griff hatte."
Die Voraussetzungen für die Betreuung werden vom Gericht regelmäßig überprüft, spätestens nach sieben, meist schon nach zwei Jahren. Ist sie nicht mehr erforderlich, wird sie aufgehoben.
Wichtig: Vertrauen gewinnen
Nicht immer sind die Betroffenen glücklich, wenn ihnen ein Betreuer "vor die Nase gesetzt" wird. Diese Erfahrung hat auch Lotte Eschenwecker gemacht: "Ich hatte jemanden, der sich anfangs sehr gegen die Betreuung gewehrt hat." Wie setzt sie sich in dieser Situation durch?
"Man braucht Geduld und muss Vertrauen aufbauen, in schwierigen Situationen Lösungen finden", sagt sie. "Als der Mann merkte, dass ich nicht nur zum Kontrollieren da bin, sondern ihn aus einer schwierigen Krise retten konnte, wurde es viel einfacher."
Auf Berufsbetreuer greift das Gericht erst dann zurück, wenn sich keine Ehrenamtlichen finden. "Bei Senioren übernehmen das oft Angehörige", so Sigrun Gremer (Awo), "bei psychisch Kranken sind Berufs- und Vereinsbetreuer stärker gefordert".
Wer selbst entscheiden möchte, wer im Fall des Falles zum Betreuer bestellt wird, kann dies in einer Betreuungsverfügung festlegen. Wie man diese formuliert und worauf dabei zu achten ist, darüber informieren die Betreuungsvereine in ihren wöchentlichen Sprechstunden (siehe Infokasten). Die vier Frauen stehen ehrenamtlichen Betreuern darüber hinaus auch beratend zur Seite. "Wir lassen die Leute mit ihren Problemen auf keinen Fall allein", verspricht Rebekka Krauß (Diakonie).
Aufgaben Die Betreuungsvereine bieten ehrenamtlichen Betreuern umfassende Beratung, Fortbildungen und Erfahrungsaustausch in Gruppengesprächen.
Sprechstunden Donnerstags von 9 bis 11.30 Uhr: Am ersten Donnerstag des Monats bei der Arbeiterwohlfahrt, Obere Stadt, Telefon 09221/956931 (Ansprechpartnerin Sigrun Gremer), am zweiten Donnerstag beim BRK-Kreisverband, Flessastraße 4, Telefon 09221/
6909817 (Elisabeth Reiser-Klötzer), am dritten Donnerstag bei der Caritas, Bauergasse 3 + 5, Telefon 09221/957427 (Lotte Eschenwecker), am vierten Donnerstag beim Diakonischen Werk, Klostergasse 8, Telefon 09221/8011811 (Rebekka Krauß).