Druckartikel: Vergewaltigungsprozess: War dieser Zeuge gekauft?

Vergewaltigungsprozess: War dieser Zeuge gekauft?


Autor: Stephan Tiroch

Kulmbach, Montag, 08. Februar 2016

Ein Kellner fiel vor der 1. Großen Strafkammer durch die Korrektur seiner Aussage auf, und die Nebenklage sammelte Pluspunkte.
Im großen Vergewaltigungsprozess vor dem Landgericht Bayreuth sammelte am Montag die Nebenklage Pluspunkte. Symbolfoto: Christopher Schulz


Im historischen Schwurgerichtssaal des Landgerichts Bayreuth war von der heiteren Lockerheit eines Rosenmontags nichts zu spüren. Im Gegenteil, Spannungen und Gereiztheit nehmen im großen Vergewaltigungsprozess offenbar noch zu. Während sich Verteidiger Johann Schwenn wieder über seinen Lieblingsgegner ärgerte, sammelte die Nebenklage Pluspunkte.

Seit September geht es vor der 1. Großen Strafkammer um die Frage, ob ein 71-jähriger Mann seine Tochter mehrfach vergewaltigt sowie seine Ex-Frau und seine beiden Enkelinnen missbraucht hat. Am Montag hörte die Kammer den ersten Freund der Hauptbelastungszeugin. "Wir waren beide 14, und sie war meine erste Freundin", sagte der Mann.


Irritiert beim ersten Sex

Auf Nachfrage des Beisitzenden Richters Reinhard Schwarz erinnerte sich der 48-Jährige an ein besonderes Vorkommnis. Er sei beim ersten Sex irritiert gewesen, weil seine Freundin nicht mehr Jungfrau war. "Es gab zu meiner Überraschung keine Defloration." Ihre Erklärung dafür sei nur ein kurzer Satz gewesen: "Sie hat mir erzählt, dass sie von ihrem Vater missbraucht worden ist." Mehr sei darüber nicht gesprochen worden. Nach einigen Monaten sei die Beziehung auseinandergegangen, und sie hätten sich über 30 Jahre nicht mehr gesehen.

Ebenfalls aus Westdeutschland angereist war der zweite Zeuge. Er war mehrere Jahre in dem Lokal beschäftigt, in dem sich der Angeklagte regelmäßig mit seinen Tennisfreunden zum Würfelspiel getroffen haben will. Ein Termin ist besonders wichtig: Denn es geht um ein Alibi des Angeklagten. Wenn er an jenem Abend im Dezember 2010 gewürfelt hat, kann er eine Vergewaltigung - wie von seiner Tochter behauptet - nicht begangen haben.

Der Kellner hatte bei der Polizei angegeben, dass er sich an eine Würfelrunde überhaupt nicht erinnern könne. Dabei sei er vor dem geistigen Auge alle Bereiche der großen Gastwirtschaft durchgegangen.

Am Montag korrigierte der Zeuge jedoch seine Aussage. Nun wusste er, dass an der Würfelrunde lauter "ältere Herrschaften" teilnahmen. "Tisch 205" sei ihr fester Platz gewesen. Er begründete sein Wissen damit, dass es später "klick gemacht" habe und "die Nebelwand" weggegangen sei.


"Ein Schelm, der Böses dabei denkt"

Die Kehrtwende machte Rechtsanwalt Frank K. Peter aus Worms stutzig, der als Nebenklagebeistand die Hauptbelastungszeugin vertritt. Er fragte beim Zeugen nach, ob der Angeklagte oder ein andere Person wegen der Aussage mit ihm Kontakt aufgenommen habe. Obwohl der Mann dies verneinte, stellte der Anwalt den Antrag, den Kellner zu vereidigen und bei ihm eine Durchsuchung zu veranlassen. "Es ist schon der zweite Zeuge, dem plötzlich andere Erinnerungen gekommen sind", sagte Peter. "Ein Schelm, der Böses dabei denkt."

Trotz der Andeutung, dass die Aussage gekauft sein könnte, hielt das Gericht eine Vereidigung nicht für erforderlich. Die Aussage sei nicht von entscheidender Bedeutung, stellte Vorsitzender Richter Michael Eckstein fest.


Vorwürfe gegen Betreuer

Verteidiger Schwenn überzog in einem Beweisantrag den ehemaligen Weißer-Ring-Mitarbeiter, der die Tochter des Angeklagten betreut, mit neuen Anschuldigungen. Der Mann sei vor Gericht als Vertreter der "angesehenen Opferschutzorganisation" aufgetreten, obwohl er schon vor Beginn des Verfahrens von seinen Aufgaben entbunden wurde. Neben vorsätzlicher uneidlicher Falschaussage warf der Anwalt dem Betreuer vor, Einfluss auf den Prozess zu nehmen: "Er sorgt dafür, die Belastungszeuginnen gegen den Angeklagten in Stellung zu bringen."

Das Verfahren wird nächsten Dienstag fortgesetzt.