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Verantwortungsvolle Landwirtschaft funktioniert im Kreis Kulmbach gemeinsam


Autor: Mirjam Stumpf

Kulmbach, Montag, 18. März 2019

Das Projekt "Solidargemeinschaft am Patersberg" macht vor, wie verantwortungsvolle und gemeinschaftsorientierte Landwirtschaft funktioniert.
"Irgendwann muss der Verbraucher wieder näher an den Erzeuger heran", ist sich Silvia Schott sicher. Sie hat einen  Anteil an der Solidarischen Landwirtschaft am Patersberghof.Mirjam Stumpf


Die grundlegende Frage ist so einfach wie wichtig: Wie ist eine ökologische und nachhaltige Anbauweise in der Landwirtschaft vereinbar mit der Existenzsicherung der Menschen, die sie betreiben?

"Unser Ziel ist es, die Lebensmittel zu produzieren, die man braucht", sagt Wolfgang Wänke, der mit seiner Frau Bettina die Patersberg Hofgärtnerei betreibt. Gemeinsam mit dem Bauernehepaar Christian und Teresa Jundt sind sie Begründer der "Solidargemeinschaft am Patersberg" in Veitlahm, kurz Solawi. Auf dem Gelände in Veitlahm befinden sich außerdem noch der Naturkostladen Unger und ein gemütliches Hofcafé.

Seit knapp drei Monaten läuft das Projekt nun bereits erfolgreich. Das Prinzip der Solawi ist umfassend. Eine Gemeinschaft an Engagierten übernimmt Verantwortung für den landwirtschaftlichen Betrieb am Patersberghof. Ihnen steht wöchentlich ein Anteil an Gemüse, Milchprodukten, Brot und Fleisch zu, zu deren Abnahme sie sich für ein Jahr verpflichten. Dabei geht es aber nicht nur darum, eine finanzielle Unterstützung für die Ernte zu leisten, vielmehr wird die gesamte Landwirtschaft von der Gemeinschaft auch in der aktiven Beteiligung getragen.

"Solawi ist kein Idyll, kein Lifestyle, sondern gibt Antworten auf Missstände im System", betont Oliver Friedrich. Er ist Mitarbeiter in der Gärtnerei und moderiert die monatlichen Zusammentreffen der Mitglieder."Sie zeigt, dass ich selbst durch meine Kaufkraft etwas verändern kann."

Die Verantwortung liegt bei allen

31 Ernteabnehmer für die Landwirtschaft und 51 für die Gärtnerei sind bisher mit dabei. Ein Grundsatz der Lebensmittel ist, dass sie saisonal und regional sind sowie ökologischen Standards entsprechen. Einmal im Jahr kommen die Beteiligten zu einer Jahreshauptversammlung zusammen und legen fest, welches Budget für das kommende Jahr aufgebracht werden muss. Das umfasst nicht nur den Ausgleich der Kosten für die abzugebenden Produkte, sondern schließt in einem ganzheitlichen Gedanken auch die Rahmenbedingung zur Produktion mit ein, beispielsweise die Neuanschaffung von Geräten. Jeder Teilnehmer legt bei einem solchen Treffen seinen Beitrag entsprechend der eigenen finanziellen Möglichkeiten fest.

Bereits bei der ersten Versammlung zum Start des Projektes sei der gesamte errechnete Etat gedeckt worden, erzählt Wolfgang Wänke. Das sei einerseits überraschend gewesen, so der Patersberg-Gärtner weiter, aber zeige auch den Gemeinschaftsgedanken, der dort gelebt wird.

"Wir haben uns vorher gefragt, wie man die Mitglieder mit einbeziehen kann, um Sicherheiten für die Erzeuger zu haben. Aber bei den Leuten stand ohne Weiteres sofort fest, dass sie den ganzen Betrieb finanziell mittragen", erzählt Christian Brennig. Gemeinsam mit seiner Frau Tanja unterstützt er das Projekt aktiv. Alle Mitglieder seien sich dessen bewusst, dass sie auch mit Verantwortung tragen. Ein Anteil an der Solawi bedeute also auch, die Risiken gemeinsam zu schultern. Landwirt Christian Jundt ist sich aufgrund dieses positiven Rückhalts sicher, mit der Solwai den richtigen Schritt gemacht zu haben. "Für mich persönlich war es die richtige Entscheidung."

Umdenken der Gesellschaft

Ein solcher Gemeinschaftsgedanken ist nicht selbstverständlich. Supermärkte unterbieten sich immer wieder mit den Preisen von Produkten, die dann zudem in weiter Entfernung zum Kunden produziert werden.Oft ist sich der Verbraucher überhaupt nicht im Klaren darüber, wie es den Erzeugern der Produkte geht, die er konsumiert, meint Oliver Friedrich. "Man kriegt es auch einfach nirgends mit", kritisiert er eine fehlende Transparenz.

In der heutigen Zeit könne jeder seinen Beruf frei wählen. Nur noch rund zwei Prozent der Erwerbstätigen seien in Deutschland in der Landwirtschaft noch an der Urproduktion beteiligt. "Aber die Bedeutung der Landwirtschaft für die Gesellschaft ist viel größer", sagt Oliver Friedrich. Benötigt werden die Erzeugnisse nämlich von deutlich mehr als zwei Prozent. Die Solawi biete eine Möglichkeit, Menschen zu einem Bewusstsein darüber zurückzubringen, so Friedrich weiter.

Verdreht, verwachsen, zu knubbelig

Silvia Schott holt am Freitagnachmittag am Patersberghof ihren wöchentlichen Anteil ab. Das Gemüse und die Milchprodukte sind in einem kühlen Kellerraum gelagert. Mit einer Waage kann jeder seinen Anteil auf Vertrauensbasis abwiegen. Silvia Schott ist begeistert vom frischen Gemüse, besonders angetan hat es ihr aber der schmackhafte Quark, der direkt in der ansässigen Molkerei hergestellt wird. "Irgendwann muss der Verbraucher wieder näher an den Erzeuger heran", ist auch sie überzeugt. Die Kulmbacherin hatte schon seit Jahren auf ein Projekt wie die Solawi gehofft, das eine solche Nähe ermögliche.

Die starke Entkoppelung von Verbraucher und Erzeuger in der Gesellschaft ist auch Unterstützer Christian Brennig bewusst, den zudem eine Freundschaft mit den Gründerehepaaren verbindet. Die Karotten, die zuletzt geerntet wurden, würden es wohl in den meisten Supermärkten aufgrund der Optik nicht ins Sortiment schaffen. Verdreht, verwachsen, zu knubbelig. Doch die "Ernteteiler" an der Solawi, wie sie sich selber nennen, haben einen ganz anderen Blick auf das Gemüse. "Jeder hier freut sich, dass Karotten überhaupt noch in der Ernte dabei waren", weiß Christian Brennig zu berichten. Denn er ist überzeugt: Weil sie näher am Geschehen sind, haben die Abnehmer ein besseres Verständnis für die natürliche Produktion. "Das ist auch eine geistige Haltung", so Brennig.

"Jede Solawi ist eine eigene, kleine Welt"

Diese Haltung zu vertreten, erfordere allerdings Mut, da man nicht mehr anonym konsumiere, so Oliver Friedrich weiter. Trotzdem, oder gerade deswegen ist den Verantwortlichen klar: "Wir wollen eine neue Kultur entstehen lassen", so Landwirt Christian Jundt.

Im Umkreis existieren ähnliche Projekte bereits in Bayreuth oder Bamberg. "Jede Solawi ist eine eigene, kleine Welt", sagt Gärtner Wolfgang Wänke. Zukünftig wolle man sich aber zunehmend daran orientieren, sich mit anderen Initiatoren zu vernetzen, so Oliver Friedrich.

Der Einzelne kann entscheiden

Grundsätzlich begrüßenswert sieht der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes, Wilfried Löwinger, Ansätze wie den der Solawi. Er sehe es als problemlos, wenn Verbraucher, die das Projekt unterstützen, die Lebensmittel abnehmen. "Alle Menschen flächendeckend wird man auf diese Art und Weise aber nicht ernähren können", gibt er zu bedenken. Man müsse nun sehen, wie sich das Konzept sowie das Miteinander weiter entwickle.

Ein kleiner Betrieb wie der am Patersberghof erzielt jedoch durchaus noch andere Gewinne, wie beispielsweise Eindrücke, gelebte Kultur oder ein nachhaltiges Stück Land, ist sich Oliver Friedrich sicher. Gewinne, die nur leider nicht vollständig in Geldwert oder durch Bezahlung auszudrücken seien. Doch wer honoriert all dies? "Der Verbraucher kann das, indem er sich entscheidet, bewusst Verantwortung zu übernehmen", sagt Oliver Friedrich.

Der Patersberghof

Seit 1985 wird der Patersberghof nach biologisch-dynamischen Grundsätzen bewirtschaftet. Diese Grundsätze beinhalten den Verzicht auf pharmazeutisch-technische Pflanzenschutz- oder Düngemittel, die artgerechte Haltung der Tiere und eine Fruchtfolgewirtschaft auf den Feldern zur Erhaltung der Bodenvitalität und -qualität. Die Gärtnerei ist zudem der einzige Vollerwerbsbetrieb im Landkreis Kulmbach.

Wer Bio-Qualität, Regionalität und Fairness bei der landwirtschaftlichen Produktion verbinden möchte, kann der Solawi noch beitreten. Weitere Informationen gibt es unter info@patersberghof.de oder telefonisch unter 09229/973606. (Quelle: Solawi am Patersberghof)