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Vanessas Vater: Verantwortliche haben nichts gelernt


Autor: Jürgen Gärtner

Himmelkron, Freitag, 25. Mai 2018

Der Vater der tödlich verunglückten Vanessa beklagt, dass die Verantwortlichen nichts aus dem Unglück im Himmelkroner Freibad gelernt haben.
Vanessa war 2014 an den Folgen eines Freibadunfalls gestorben. Foto: Archiv/privat


Der Vater der tödlich verunglückten Vanessa ist eher ein ruhiger Typ. Während des schlagzeilenträchtigen Prozesses vor dem Kulmbacher Amtsgericht hielt sich Roland Koska im Hintergrund. Jetzt meldet er sich jedoch zu Wort. Weil: "Die Verantwortlichen haben bis heute nichts aus dem Fall Vanessa gelernt."

2014 war das achtjährige Mädchen während des Freibadbesuchs einer Kindergruppe des TSV Himmelkron unter Wasser gefunden und bewusstlos geborgen worden. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Einige Tage später starb das Kind an einem Hirnödem im Krankenhaus.

Dem Vater geht es nicht um Schuldzuweisungen. "Mir ist sehr wohl bewusst, dass das meine tote Tochter nicht mehr ins Leben zurückholen kann. Worum es mir geht, ist, die Verantwortlichen endlich wachzurütteln, damit sich so ein Unglück nicht wiederholen kann", sagt er und nimmt sich selbst bei der Kritik nicht aus. "Auch ich habe Fehler gemacht." Zum Beispiel, dass dem Kind keine Schwimmflügel mitgegeben wurden. Dass er nicht auf die Betreuerin zugegangen sei und sie nicht ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass Vanessa nicht schwimmen kann.

Und damit ist er bei einem seiner zentralen Wünsche: "Man muss mehr miteinander reden." Damit meint er die Vereine, die Betreuer, die Vorsitzenden, die Eltern. Denn jeder trage Verantwortung für die Kinder. "Damit jeder sagen kann: Wir haben das Bestmögliche für unsere Kinder gemacht." Es sei nicht zielführend, sich gegenseitig die Schuld zuzuweisen.

Er will erreichen, dass sich etwas ändert - zum Besseren hin. "Mir geht es nicht darum, dass Leute eingesperrt werden." Die richtigen Konsequenzen seien wichtig. Es sei verkehrt, dass in Himmelkron inzwischen keine Vereine mehr Schwimmbadbesuche mit Kindern unternehmen. "Damit bestraft man die Kinder. Diese Besuche zu streichen, ist der Weg des geringsten Widerstands."

Viel besser wäre es in den Augen des 55-Jährigen, wenn dort Schwimmkurse angeboten würden - zu Zeiten, in denen auch berufstätige Eltern ihren Nachwuchs bringen können. Oder dass dem Bademeister ein zweiter Mann zur Unterstützung zur Seite gestellt wird. Damit immer jemand das Becken im Blick hat und nicht wie zum Unglückszeitpunkt mit anderen Aufgaben beschäftigt ist. "Mir ist klar, dass es eine 100-prozentige Sicherheit nie geben wird. Aber es waren zum Unglückszeitpunkt nur vier Kinder im Schwimmerbereich. Das war überschaubar."

Auch eine bessere und regelmäßigere Ausbildung der Übungsleiter in den Vereinen hält Koska für einen wichtigen Schritt. "Eine Weiterbildung alle vier Jahre reicht nicht." Koska fände es gut, wenn Firmen ihre ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter für solche Weiterbildungen einen Tag freistellen würden. "Denn ich weiß selbst, wie schwer es ist, das alles neben dem Job unter einen Hut zu bringen."

Auch hält Koska die Entscheidung des Gerichts für richtig, Kinder vorschwimmen zu lassen. "Das ist eine einmalige Sache und sollte zu schaffen sein", sagt er und widerspricht damit der Kritik von Hans-Günther Naefken, der in der Hauptversammlung des TSV diese Maßnahme als unrealistisch bezeichnet hatte und die verurteilte Betreuerin in Schutz nahm. "Ich kann das verstehen, weil die Betreuerin seine Tochter ist. Er erlaubt sich aber ein dezidiertes Urteil über einen Vorgang, bei dem er selbst nicht zugegen war. Aus meiner Sicht betreibt er die Rehabilitierung seiner Tochter mit falschen Mitteln."

Für Naefken hängen die Verantwortlichkeiten von Eltern und Betreuerin unmittelbar zusammen: "Wenn sie schuld hat, dann sind die Eltern auch schuld." Für ihn ist das Unglück im Himmelkroner Freibad allerdings eine Verkettung besonderer Umstände, was auch eindeutige Sachverständigenaussagen während der Gerichtsverhandlung belegt hätten. "Ich bin der Meinung, meine Tochter hätte freigesprochen werden müssen."

Und nicht nur das. Naefken hält die Forderung der Richterin, alle Kinder vorschwimmen zu lassen, für unrealistisch. "Das Urteil ist von der Praxis in der Jugendbetreuung weit entfernt." Zu hoch sei manchmal die Zahl der Kinder, zudem würden oft unterschiedliche Kinder an den Aktivitäten teilnehmen.

Das sieht auch TSV-Vorsitzender und Bürgermeister Gerhard Schneider so. Er verweist auf einen Beschluss, dass der Verein kategorisch keine Freibadbesuche mit Kindern mehr durchführt. "Früher wurde alles mündlich abgeklärt, das hat sich bewährt, jeder wusste Bescheid." Diese Zeiten seien jetzt vorbei angesichts der Tatsache, dass selbst eine schriftliche Erklärung der Eltern nicht ausreiche, dass ihr Kind schwimmen kann.

Er weist zudem darauf hin, dass in Himmelkron Jungen und Mädchen durchaus die Möglichkeit haben, das Schwimmen zu erlernen - bei der Wasserwacht. "Ansonsten bleibt das in der Verantwortung der Eltern, die nicht erwarten können, dass sich die Gesellschaft um alles kümmert." Für Schneider hat sich der Eindruck verfestigt, dass die Familie Koska mit Gewalt einen Schuldigen für das Unglück sucht, denn: "Ihre Vorwürfe wurden wurden in der Verhandlung widerlegt."

Das Unglück hat bereits jetzt Konsequenzen für das Gemeindeleben: Während im vergangenen Jahr praktisch täglich ein Ferienprogramm angeboten wurde, sind es heuer gerade einmal fünf Veranstaltungen. "Da gab es einen Kahlschlag, weil die Ehrenamtlichen Angst haben, mit einem Bein im Gefängnis zu stehen."

Als Bürgermeister ist er für das Freibad verantwortlich. Und hier stellt Schneider fest, dass laut Beweisaufnahme juristisch alles in Ordnung gewesen sei. "Es war immer ein Bademeister da, an Wochenenden mit mehr Betrieb wurde er von der Wasserwacht unterstützt." Eine weitere hauptamtliche Kraft könne die Gemeinde nicht zahlen. "Wir legen jährlich schon 100 000 Euro beim Freibad drauf, der Großteil davon sind Personalkosten." Er verstehe die Forderung von Koska nach mehr Aufsicht, "aber wir orientieren uns an den rechtlichen Vorgaben".

Er könne auch den Wunsch von Koska nach Konsequenzen nachvollziehen, aber die Frage sei: "Wo und mit welchem Aufwand kann ich was verbessern. Wir leben ja schon in einer Gesellschaft, in der höchste Ansprüche gelten." Das Urteil des Kulmbacher Amtsgericht habe bestätigt, dass keine Aufsichtsverletzung vorgelegen, sondern es sich um ein organisatorisches Verschulden im Vorfeld gehandelt habe. Schneider: "Es bleibt ein tragischer Unglücksfall."