"Unbedingter Vernichtungswille": Untersteinacherin stach auf schlafendes Opfer ein
Autor: Stephan-Herbert Fuchs
Untersteinach, Dienstag, 13. Juni 2017
Nach der Attacke auf ihr schlafendes Opfer steht eine Untersteinacherin vor Gericht. Der Staatsanwalt unterstellt ihr "unbedingten Vernichtungswillen".
Zehn Mal hatte eine 22 Jahre alte Frau aus Untersteinach am 8. Januar dieses Jahres in ihrer Wohnung in Untersteinach auf einen schlafenden gleichaltrigen Bekannten mit einem Küchenmesser eingestochen. Der Mann erlitt zahlreiche Stichverletzungen unter anderem in der Brust und im Bauch sowie an den Armen und Beinen. Wegen versuchten Mordes wird der Frau seit Dienstag vor der ersten großen Strafkammer des Bayreuther Landgerichtes der Prozess gemacht.
In der Anklageschrift ist von "unbedingtem Vernichtungswillen" die Rede. Die Angeklagte habe beabsichtigt, den Mann zu töten, und habe ihm auch vorher angekündigt, dass er nicht lebend aus der Wohnung herauskommen werde. Diese Formulierungen erregten gleich zum Prozessauftakt den Unwillen von Verteidiger Karsten Schieseck aus Bayreuth.
Meiste Stiche in Extremitäten
Er sehe die Anklage nicht von den Ermittlungsergebnissen gedeckt, sagte der Anwalt. Falls seiner Mandantin "unbedingter Vernichtungswille" unterstellt werde, dann müsse er auch klarstellen, dass von zehn Stichen nur zwei gegen den Rumpf, die restlichen acht gegen Arme und Beine geführt worden seien. Beim Opfer habe zu keinem Zeitpunkt Lebensgefahr bestanden. "Meine Mandantin wollte nicht töten", erklärte Schieseck.Die Angeklagte selbst machte zunächst keine Angaben zur Tat. Erst am Nachmittag des ersten Verhandlungstages ergriff sie das Wort und legte ein Geständnis ab.
Zum Motiv konnte sie nichts sagen. "Er war dagelegen und ich hab halt zugestochen", sagte die Frau. Auf Nachfragen des Gerichts räumte sie ein, sich am Nachmittag in der Wohnung einer Nachbarin mit einem anderen Mann getroffen zu haben, mit dem sie Sex wollte.
Ihr Freund, der der Vater ihres Sohns ist, kam aber dahinter. Er kreuzte mit zwei Bekannten in der Nachbarswohnung auf, worauf es zu einem erbitterten Streit gekommen sein soll.
Der andere Mann verließ fluchtartig den Schauplatz des Geschehens, die Angeklagte zog sich in die Bahnhofskneipe zurück und trank Alkohol. In der Tatnacht hatte die Frau eine Blutalkoholkonzentration von knapp zwei Promille.
Dann sei sie zurück in die Wohnung, wo es zu der Bluttat kam. "Ich war wütend und irgendwie sauer auf alles", sagte die Angeklagte. Warum sie dann aber auf einen Unbeteiligten eingestochen hatte, wusste sie nicht.
Ihre als Zeugin geladene Schwester machte von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Das Opfer war der Verhandlung ebenfalls unentschuldigt ferngeblieben. Genau in dem Moment, als das Gericht auf Antrag von Staatsanwalt Holger Gebhardt deshalb ein Ordnungsgeld in Höhe von 250 Euro, ersatzweise zehn Tage Ordnungshaft und die Vorführung des Mannes beschloss, klingelte im Sitzungssaal das Telefon, am anderen Ende der Leitung war das Opfer.
Ausreden
Es gehe ihm sehr schlecht, er habe die ganze Nacht nicht geschlafen, berichtete der Mann. Vorsitzender Richter Michael Eckstein erklärte ihm daraufhin, dass er ein Attest des Amtsarztes verlange, worauf der Mann plötzlich doch sein freiwilliges Erscheinen ankündigte. Bis zum Nachmittag war er dann allerdings doch nicht aufgetaucht, telefonisch ließ er ausrichten, dass er verschlafen habe. Zu ihrer Person machte die Angeklagte ausführliche Angaben. Gebürtig und aufgewachsen in Kulmbach war sie nach der 7. Klasse von der Schule geflogen, wurde mit 16 Mutter eines Buben und holte später den Hauptschulabschluss nach. Wirklich gearbeitet hat sie nie, dafür aber jede Menge Schulden aufgehäuft, so dass die Frau mittlerweile unter Betreuung steht und eine Privatinsolvenz vorbereitet wird. "Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich es besser machen", kommentierte die Frau ihren eigenen Lebensweg.
Im Juli 2015 wurde die Angeklagte zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt, weil sie den Vater ihres Kindes im Streit mit einem Messer verletzt hatte. Die Angeklagte hatte damals Kräutermischungen geraucht und hatte ein Alkoholproblem. Eine Therapie brach sie allerdings nach drei Monaten ab. Seitdem habe es immer wieder Abstürze gegeben, berichtete sie. Insgesamt hat sie sieben Vorstrafen.
Die Verhandlung wird fortgesetzt.