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Unglück erschüttert Ludwigschorgast


Autor: Christine Fischer, Jochen Nützel

Ludwigschorgast, Dienstag, 20. Juli 2021

Ein zweijähriger Junge ist am Dienstagmittag in Ludwigschorgast in einem Wasserbecken ertrunken. Er war unbemerkt vom Kita-Gelände ausgebüxt.
Wie konnte der Bub trotz Zaun vom Kita-Gelände auf das Nachbargrundstück gelangen? Diese Frage bewegt nun den ganzen Ort. Foto: Jochen Nützel


Ludwigschorgast ist ein beschauliches Dorf mit nicht einmal 1000 Einwohnern. Jeder kennt jeden, man hilft sich, man schätzt sich. Umso größer ist die Bestürzung, die ein schreckliches Unglück gestern Mittag in dem kleinen Ort ausgelöst hat. Ein zweijähriger Junge ist dort in einem Wasserauffangbecken auf einem Privatgrundstück ertrunken.

Besonders tragisch: Der Bub war eigentlich zur Betreuung in der örtlichen Kindertagesstätte. Er befand sich in einer Gruppe mit zwölf Kindern, die von drei Personen beaufsichtigt wurde. Und trotzdem gelang es ihm irgendwie, unbemerkt auf das Nachbargrundstück auszubüxen. Dort befindet sich ein ebenerdiges, eineinhalb Meter tiefes Wasserauffangbecken, in das der Junge offenbar gestürzt ist.

Leblos im Wasser

Gegen 12.15 Uhr wurde das Kleinkind darin leblos von Anwohnern und Mitarbeiterinnen der Kindertagesstätte gefunden. Eine Kita-Mitarbeiterin sprang sofort ins Wasser, zog den Buben heraus und begann mit der Wiederbelebung. Zeugen wählten umgehend den Notruf. Doch auch die Wiederbelebungsmaßnahmen der Einsatzkräfte von Rettungsdienst und Feuerwehr blieben leider ohne Erfolg. Der Junge starb wenig später auf der Intensivstation der Bayreuther Kinderklinik.

Ganz Ludwigschorgast steht seitdem regelrecht unter Schock. Jeder aus dem Ort, mit dem man spricht, weint, wenn es um den Unglücksfall geht. Viele kennen die betroffene Familie und kannten auch den Jungen, der als freundlicher, lustiger Bub beschrieben wird. Das einzige Kind seiner Eltern, wie zu erfahren ist.

Die schreckliche Nachricht verbreitete sich in Windeseile im ganzen Dorf. In den Gärten stehen Menschen zusammen, diskutieren über das tragische Ereignis. Ein älterer Mann mit schlohweißem Haar nähert sich dem Fahrzeug der Kripo-Beamten auf dem Bürgersteig, hält kurz an, dann sieht er die Pressevertreter. "Weiß man schon mehr? Ich habe vorhin die Bürgermeisterin gesehen, weinend." Er schüttelt den Kopf und geht seiner Wege.

"Unbegreiflich"

Bürgermeisterin Doris Leithner-Bisani war mittags sofort am Unglücksort, als sie von dem Todesfall erfuhr. "Es ist ein unbeschreibliches Leid. Es gibt keine Worte dafür und auch keinen Trost", sagt sie mit tränenerstickter Stimme. Und auch am Nachmittag macht sie sich noch einmal auf den Weg zur Kita, in deren direkter Nachbarschaft sie wohnt. Die Bürgermeisterin, die selbst Mutter ist, steuert auf die Leiterin der Einrichtung zu. Beide Frauen umarmen sich, suchen Trost in einer Situation, die sich niemand erklären kann. Während die Erzieherin bittet, keine Fragen beantworten zu müssen, nimmt sich die Bürgermeisterin kurz Zeit für die Journalisten. "Unbegreiflich." Das Wort fällt mehrfach in ihren kurzen Äußerungen, sie steht sichtlich unter Schock. "Die Kripobeamten sagen selber, das Grundstück ist sicher. Wir begreifen es nicht."

Nicht auszudenken, was die Eltern des Jungen nun durchmachen müssen, die ihren Sohn am Morgen wie so oft in den Kindergarten gebracht haben. Sie wurden von Notfallseelsorgern betreut. Der örtliche Pfarrer Michal Osak war sofort an Ort und Stelle, ebenso Pfarrerin Heidrun Hemme aus Grafengehaig und Seelsorger der Feuerwehr. Sie standen der Familie bei und auch dem Personal der Kindertagesstätte, das ebenfalls unter Schock steht. "Die Mitarbeiterinnen sind einfach nur fertig", sagt Doris Leithner-Bisani.

Am Samstag wurde noch gefeiert

Dabei hatten sie alle am Samstag noch gemeinsam die Einweihung des Anbaus an die Kindertagesstätte Ludwigschorgast gefeiert; Pfarrer Osak hatte das Gebäude geweiht. Nun rätseln die Bürgermeisterin und auch alle anderen im Ort, wie der Bub vom Kita-Gelände auf das private Nachbargrundstück gelangen konnte. "Es ist ein Zaun drumherum. Der Zaun ist in Ordnung. Er hat kein Loch, und man kann auch nicht drunter durch krabbeln", sagt Doris Leithner-Bisani.

Die genauen Umstände des tragischen Unglücksfalls sind nun Gegenstand der kriminalpolizeilichen Ermittlungen. Der erneute Tod eines Kindes - erst am Montag war in Heinersreuth bei Bayreuth ein toter Säugling gefunden worden - war selbst für die hartgesottenen Ermittler gestern schwer zu verkraften.