Druckartikel: Tierwohl-Debatte: Verband nimmt Bauern in Schutz

Tierwohl-Debatte: Verband nimmt Bauern in Schutz


Autor: Jochen Nützel

Neudrossenfeld, Dienstag, 27. Januar 2015

In Berlin demonstrierten jüngst Tausende gegen Massentierhaltung, Gentechnik und Antibiotika. Der Bauernverband sieht die Landwirte unfair an den Pranger gestellt. "Es trifft uns Bauern ins Mark, wenn unser Berufsstand in unsachlichen Diskussionen in den Schmutz gezogen wird", sagt stellvertretender BBV-Kreisobmann Gerhard Reif.
Investition ins Tierwohl: Robert Wölfel (Zweiter von links) und sein Vater Werner (rechts) haben mehr als eine Million Euro in den neuen Kuhstall ihres Hofes in Buch am Sand gesteckt. Thomas Erlmann vom Verband der Rinderzüchter (links) und Gerhard Reif, stellvertretender Kreisobmann im Bayerischen Bauernverband, kamen gestern zur Stippvisite bei den muhenden "Sahneschnitten" vorbei. Foto: Jochen Nützel


Was ist Tierwohl? Die Definition ist besonders dann schwierig, wenn es um Nutztiere geht. Immerhin gibt es einen eigenen Kompetenzkreis dafür, der wiederum auf Betreiben und im engen Schulterschluss mit Landwirtschaftsminister Christian Schmidt eine Kampagne gestartet hat, wie sich die Haltungsbedingungen für Hühner, Schweine und Kühe verbessern lassen. Auf dem Hof der Familie Wölfel in Buch am Sand ragen die Auswirkungen der Vorgaben in den Himmel: ein neuer Stall, der bis zu 75 Milchkühen Obdach gewährt.

Dieses Obdach ist nicht mehr vergleichbar mit jenen Unterständen von anno dazumal: Die Tiere sind nicht mehr angebunden, sondern laufen frei; sie haben Frischluft, Sonnenlicht und mehr Platz in den Boxen, etwa neun Quadratmeter pro Kuh sind die Vorgabe. Das kostet, wie Robert Wölfel weiß. Der Betriebsleiter, der den Hof 2011 übernahm und mittlerweile Landwirtschaftsmeister ist, hat mehr als eine Million Euro investiert. "Das ist Stand der Technik", sagt er. Den Begriff Massentierhaltung mit all den Assoziationsketten, die Medienberichte in den Köpfen der Verbraucher auslösen, kommt einem beim Anblick der Kühe in diesem Stall nicht in den Sinn.

"Wir machen satt"

"Es trifft uns Bauern ins Mark, wenn unser Berufsstand in unsachlichen Diskussionen in den Schmutz gezogen wird", sagt Gerhard Reif. Der stellvertretende Kreisobmann im Bayerischen Bauernverband spielt an auf die jüngsten Demonstrationen in Berlin. Unter dem Motto "Wir haben es satt" gingen Zehntausende gegen Gentechnik, Antibiotika-Missbrauch und Tiermast auf die Straße. "Wir machen satt - das trifft den Kern", betont Reif. Es gäbe natürlich, wie in jeder Branche, schwarze Schafe. "Leider wird oft nur darüber berichtet." Das aber spiegele nicht die Wirklichkeit wider. Wer den Landwirt in einem Atemzug nenne mit Qualzucht, der verkenne die Realität gerade auch auf den Familienbetrieben im Kreis Kulmbach.
"Es muss doch im ureigensten Interesse eines jeden Bauern liegen, dass es seinen Tieren gut geht", pflichtet Thomas Erlmann bei. Erlmann ist Vorsitzender der oberfränkischen Rinderzüchter und weiß aus eigener Erfahrung (er betreibt einen Hof mit 100 Kühen) um den Spagat zwischen den Anforderungen des Gesetzgebers und des Marktes auf der einen und der Rentabilität eines Bauernhofs auf der anderen Seite. Stichwort Erlös: "Beim Fleisch haben wir uns momentan auf einem mittlerem Niveau eingependelt, es war auch schon schlechter."

Milcherlöse im Sinkflug

Beim Milchpreis hingegen sei ein Ende des Sinkfluges noch nicht in Sicht. Derzeit gibt es nicht mal 32 Cent für den Liter. Es müssten mindestens 40 sein, um gerade so kostendeckend arbeiten zu können. "Das Exportverbot nach Russland wirkt sich natürlich stark aus", sagt Erlmann und rechnet vor: "Das erhöht wiederum das Milchaufkommen im Inland, was weiter auf die Preise drückt. Eine Kuh ist aber nun mal keine Maschine, die sich je nach Bedarfslage an- und abstellen lässt."
Fast 10 000 Liter pro Jahr gibt eine Kuh auf dem Hof der Wölfels. Ein Plakat an der Stirnseite des neuen Stalls zeigt an, was sich im Inneren verbirgt: "Sahneschnitten" - eine Aktion des Bauernverbands und Hinweis darauf, woher die Grundlage für den heimischen Käse und die regionale Sahne kommt. Diese heimischen Produkte sind gefragt und haben ihren Preis. Denn da ist die Kostenseite: Damit das Gras für die Tiere wächst, braucht es Dünger. Dazu kommen Ausgaben für Tierarzt und Kraftfutter. "Neue Regulierungen erschweren die Arbeit zusätzlich", sagt Gerhard Reif und verweist auf Planungen, Ackerfläche in Grünland zu verwandeln. Dazu kommen Vorgaben fürs Düngen und Änderungen im Arzneimittelrecht.
"Ohne eine gehörige Portion Idealismus und eine enorme Arbeitsbereitschaft geht da nix", bekundet Reif. Dabei sieht er durchaus Möglichkeiten, die Landwirte ein Stück weit aus der Umklammerung von Preisdruck und Politikvorgaben zu befreien: "Der BBV plädiert seit langem dafür, die Steuergesetzgebung anders zu regeln. Landwirte sollen gute mit schlechteren Ertragsjahren gegenrechnen können. Wir reden hier von einem Zeitraum von drei so genannten Wirtschaftsjahren, aus denen sozusagen ein Schnitt gebildet wird. Das würde eine spürbare Entlastung bedeuten."
Entlastung durch zusätzliche Arbeitskräfte? "Das ist finanziell nicht zu machen", verneint Robert Wölfel. Unterstützung erhält der junge Vollerwerbslandwirt innerfamiliär: Drei Generationen tragen zum Überleben des Hofs bei. Die Großeltern packen noch mit an, und auch Vater Werner Wölfel macht tatkräftig mit. Er arbeitet tagsüber im Kreisbauhof und hilft nach Feierabend sowie am Wochenende seinem Sohn beim Füttern oder Feldbestellen. Anders, sagen sie, geht es nicht.
Wären andere Einnahmequellen denkbar? Etwa aus regenerativen Energiequellen? Gerhard Reif bringt eine Kombination ins Spiel: "Die Kosten für eine kleinere Biogasanlage stehen in keinem vernünftigen Verhältnis zur Einspeisevergütung. Aber es kann sinnvoll sein, Strom aus einer PV-Anlage am Dach sowie aus der Güllevergärung für den Eigenbedarf zu nutzen." Und Nachbar Gustav Eichner, lange Jahre Ortsobmann, ergänzt: "Keinen Kilometer von hier entfernt verläuft die Ferngasleitung. Aus Gülle Wärme zu machen, das wird viel zu wenig in Betracht gezogen. Und: Wir hätten die Teller-Tank-Diskussion nicht, denn die Gülle ist schon da, für sie muss keine wertvolle Ackerfläche bereitgestellt werden."