"Tierschutz ist manchmal ein Fass ohne Boden"
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Mittwoch, 22. August 2018
Es kann erfüllend sein oder zum Verzweifeln: Arbeit im Tierschutz. Wolfgang Hain ist seit drei Jahren Vereinsvorsitzender für Kulmbach.
Facebook spiegelt alle Grausamkeiten der Welt, die Tieren widerfahren - vom geprügelten Hund bis zum gejagten Wal. Sich für den Tierschutz einzusetzen, führt bisweilen an emotionale Grenzen, kann erfüllend sein und Tierfreunde zugleich verzweifeln lassen an der Gattung Mensch und ihrem Umgang mit unseren Mitgeschöpfen. Wolfgang Hain kennt das aus eigener Anschauung. Er ist seit drei Jahren Vorsitzender des Tierschutzvereins Kulmbach und Umgebung. Eine Fundkatze ebnete einst den Weg. Herr Hain, Hand aufs Herz: Wie oft haben Sie schon die Welt verflucht und waren drauf und dran hinzuwerfen? Wolfgang Hain: Zugegeben, es gibt Momente, da reicht es. Dann wiederum schaue ich mir meine Katzen daheim an, die alle aus dem Tierschutz sind, und merke, was ich von ihnen zurückbekomme. Das motiviert mich weiterzumachen. Wenn man einmal sein Herz für den Tierschutz entdeckt hat, dann lässt einen das nicht mehr los. Hinzu kommt, dass wir im Tierschutzverein ein eingeschworener Haufen sind, der sich auch privat sehr gut versteht. Wenn einer mal down ist, baut ihn der andere wieder auf.
Es bleibt freilich immer eine gefühlsbetonte Angelegenheit. Es geht ja um Lebewesen und nicht um Gegenstände. Man muss aber, auch aus Selbstschutz, ein Stück Emotionalität rausnehmen. All die schlimmen Dinge dürfen nicht dazu führen, dass man gar nichts mehr tut und aufgibt. Wir wissen, dass wir hier nicht die Wale im Meer oder die Tiger im Dschungel retten können, dafür gibt es andere gute Organisationen. Wir versuchen, unsere Aufgaben vor Ort bestmöglich zu erfüllen. Aber manchmal scheint es ein Fass ohne Boden.
Gab es einen Auslöser für Ihre Leidenschaft als Tierschützer? Ja, den gab es. Er hatte vier Pfoten (lacht). Meiner Frau und mir ist vor etwa 13 Jahren eine Katze zugelaufen, die bei uns in der Scheune genächtigt hat. Die haben wir versorgt, beim Tierheim gemeldet - aber schließlich behalten, weil sich kein Besitzer gemeldet hat. So kam der erste Kontakt zustande. Wir wurden schnell begeisterte Katzenstreichler und Hunde-Gassigeher und haben immer wieder Samtpfoten bei uns aufgenommen, teilweise gewährten wir sieben Katzen gleichzeitig Obdach.
Gerade was streunende Katzen angeht, warnt der Deutsche Tierschutzbund vor einer wahren Flut. Wie sieht es in Stadt und Landkreis aus? Im Tierheim haben wir aktuell rund 50 Katzen, in der Quarantäne sitzen 17 Babykatzen aus diversen Fangaktionen, unter anderem von Bauernhöfen. Es ist richtig, dass die Gefahr einer unkontrollierten Vermehrung besteht. Deswegen verweisen wir immer wieder auf unsere Kastraktionsaktion, die dauerhaft läuft. Dafür sammeln wir auch Spenden, denn unsere finanziellen Möglichkeiten sind begrenzt. Wir müssen jeden Eingriff beim Tierarzt selber zahlen, das kostet pro Weibchen rund 135 Euro. Wir haben da auch keine Vergünstigungen, denn die Tierärzte müssen sich ja an ihre Gebührenordnung halten. Aber: Die Aktion zeigt mittlerweile Wirkung, es scheinen weniger zu werden. Es gab Zeiten, da saßen im Tierheim mehr als 100 Stubentiger. Unsere Helfer achten draußen darauf, dass auch die Streuner versorgt und kastriert werden.
Der Tierschutz ist kommunale Pflichtaufgabe. Was bedeutet das?