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Tier-Tafel ist der falsche Anreiz


Autor: Sonny Adam

Kulmbach, Montag, 02. Sept. 2013

In den größeren Städten schießen spezielle Tiertafeln aus dem Boden, auch Bayreuth hat eine. Und deutschlandweit versorgt die Tier-Tafel schon mehr als 10.000 Kunden. In Kulmbach scheint die Welt noch einigermaßen in Ordnung. Aber die Tafel hat hin und wieder ebenfalls Tierfutter übrig - und das verteilt sie an ihre Kunden.
Elfriede Höhn (rechts) bekommt bei Spenden für die Tafel auch Tierfutter und Katzenstreu und gibt dies im Einzelfall an bedürftige Menschen weiter. Doch das soll kein Anreiz sein, um noch mehr Tiere anzuschaffen.  Fotos: Sonja Adam


Immer wieder liest man in Boulevardzeitungen von Senioren, die sich wegen ihrer kargen Rente den Familienhund nicht mehr leisten können. Oder von Hartz-IV-Beziehern, die die lieb gewonnene Katze weggeben müssen. Auch im Tierheim Kulmbach hat es schon Fälle gegeben, in denen der Vierbeiner abgegeben wurde, weil Herrchen/Frauchen ihn sich angeblich nicht mehr leisten konnte oder weil Miez und Mops einen Unfall hatten und eine teuere Operation anstand.

"Wir haben in einem Fall nachträglich erfahren, dass noch fünf andere Katzen im Haushalt vorhanden sind und die Katze eigentlich nur abgegeben wurde, weil die Kastration anstand", kennt Susanne Schilling vom Tierheim Kulmbach so manche Ausrede. Und eine Kastration kostet bei Katern zwischen fünfzig und sechzig Euro, bei Katzen zwischen 100 und 120 Euro. Schilling weiß, dass Tiere, wenn teuere Behandlungen anstehen, ins Tierheim gegeben werden. Immer wieder.

Einfach, weil man so viel Geld fürs Tier nicht aufwenden möchte. Und auch das Futter ist nicht gerade billig.

Ob eine Tier-Tafel Abhilfe schaffen kann? "Ich habe Bauchschmerzen, wenn ich höre, dass diese Tafeln aus dem Boden schießen", sagt die Tierheimleiterin. Obwohl die Idee natürlich dem Wohl der Tiere dienen kann, hat sie doch einen negativen Effekt: Sie könnte ausgerechnet die verantwortungslosen Tierhalter darin bestärken, sich noch mehr Tiere anzuschaffen - da ja für sie gesorgt wird.

Furcht vor explodierenden Kosten

Auch in Kulmbach und Umgebung hat Susanne Schilling immer wieder mit Menschen zu tun, die regelrecht Tiere horten, obwohl sie über keinerlei Einkünfte verfügen. "Es klingt zwar hart, aber: Wenn man sich ein Tier anschafft, muss man sich darüber im Klaren sein, dass dies auch mit Unkosten verbunden ist. Man muss unter Umständen viele Jahre für die Tiere sorgen können", sagt Schilling.

Sie hat ein bisschen Furcht davor, dass gerade solche verantwortungslosen Tierhalter die Tierheimkosten explodieren lassen könnten: durch noch mehr Katzenbabys nämlich, die dann auf Tierheimkosten kastriert werden müssen. "Deshalb finde ich, Hartz IV und eine Tafel sollten für Menschen sein", so Schilling. Wenn wirklich einmal ein Rentner oder ein Bedürftiger mit einem akuten Problem vor der Tür stehen würden, würde sie natürlich trotzdem helfen. "Aber das sollte immer ein Einzelfall sein und man sollte nicht noch einen Anreiz schaffen."
Auch die Ämter sehen dies so. Denn sie gewähren keinerlei Extrabezüge, auch nicht, wenn bereits ein großer Hund oder Katzen im Haushalt leben. "Wenn jemand nach der Phase des Bezuges von Arbeitslosengeld I bedürftig ist, kann er Arbeitslosengeld II und/oder Sozialgeld beantragen und erhält dann je nach Bedürftigkeit einen Regelbedarf, der den Lebensunterhalt sichern soll", erklärt Paul Ebsen von der Bundesagentur für Arbeit. Einen Anspruch auf den vollen Regelbedarf haben Alleinstehende, Alleinerziehende sowie Volljährige, deren Partner minderjährig ist.

Dieser Regelbedarf beträgt seit Anfang des Jahres bundeseinheitlich 382 Euro. Für volljährige Partner gibt es jeweils 345 Euro. Kinder, die jünger als sechs Jahre sind, erhalten 224 Euro und vom sechsten bis einschließlich dreizehnten Lebensjahr sind es dann 255 Euro. Jugendliche in einem Alter von 14 bis 17 Jahren werden mit 289 Euro berücksichtigt. Junge Erwachsene ab 18 Jahren, die noch bei ihren Eltern wohnen oder Personen zwischen 15 und unter 25 Jahren, die ohne Zusicherung des kommunalen Trägers umgezogen sind, erhalten 306 Euro.

Keine Extrakosten vom Amt

"Das ist alles klar festgelegt", sagt Ebsen. Spielraum gibt es nicht. "Der Regelbedarf deckt pauschal die Kosten für Ernährung, Kleidung, Haushaltsenergie (ohne Heizung und Warmwassererzeugung), Körperpflege, Hausrat, Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben ab." Extrakosten für Tierarzt oder Futter sind vom Regelbedarf zu zahlen. Und an diesem Punkt werden auch keine Ausnahmen gemacht. Auch nicht - und gerade dann nicht, - wenn jemand eine ganze Menge Tiere hat.

"Wir bekommen immer wieder Katzenstreu oder Tierfutter. Und das geben wir natürlich auch an unsere Kunden weiter", kennt Elfriede Höhn von der Kulmbacher Tafel das Dilemma. "Das Futter wird natürlich gerne genommen. Man weiß schon im Laufe der Zeit, wer ein Tier hat", sagt sie.
Man habe aber noch nicht bei den großen Futtermittel- und Zoogeschäften nachgefragt, ob die Tafel eventuell Tierfutter bekommt. "Aber wenn der Bedarf steigt, können wir das tun", sagt Höhn. Wobei auch sie in Kulmbach keinen Bedarf für eine eigene Tiertafel sieht.
Von den großen Kulmbacher Supermärkten bekommt die Tafel für ihre insgesamt 180 Bedarfsgemeinschaften alle Arten von Spenden: Insgesamt sind achtzig Leute damit beschäftigt, vier Mal pro Woche Spenden in die Tafel-Zentrale in der Blaich zu schaffen und dort auszugeben. Jeden Dienstag und Freitag von 10 Uhr bis 12 Uhr werden die Waren verteilt.