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Thurnauer war schon an der Unglücksstelle


Autor: Katharina Müller-Sanke

Thurnau, Mittwoch, 23. Sept. 2015

Sieben Tote forderte in der vergangenen Woche eine Lawine in den französischen Alpen. Heinz Schnauder bestieg vor 30 Jahren den Barre des Ecrains und erinnert sich.
Am Barre des Ecrins sind in der letzten Woche sieben Bergsteiger verunglückt. Der Thurnauer Heinz Schnauder hat den Berg in den 1970er Jahren bereits bestiegen. Foto: Katharina Müller-Sanke


Heinz Schnauder aus Thurnau kann sich noch gut an seinen Aufstieg auf den Barre des Ecrins erinnern, als wäre es gestern gewesen. "Vom Gipfel aus hat man eine herrliche Aussicht. Die Landschaft ist einmalig dort", erzählt er. Die Bilder des Berges und die Berichte über die dort tödlich verunglückten Bergsteiger in der letzten Woche waren daher für ihn ein besonderer Schock.
"Ich habe auf dem Weg nach oben mehrere Zeichnungen angefertigt, darunter auch eine vom Gipfel, es ist für mich eine der schönsten Touren gewesen. Die wildromantische Gegend dort ist einfach herrlich", erinnert sich der passionierte Tourengeher und Zeichner. Genau dort, wo auch er damals aufgestiegen und die Aussicht genossen hat, sind nun sieben Tourengeher von einer Lawine mitgerissen und unter ihr begraben worden.
Unter Kennern gilt das Ecrins-Massiv als eine der wildesten und ursprünglichsten Gebiete der Alpen. Der Barre des Ecrins ist mit 4102 Meter der südlichste und westlichste Viertausender der Alpen. Bei deutschen Bergsteigern und Tourengehern ist der Barre des Ecrins jedoch weniger bekannt. "Das liegt vor allem an der weiten Entfernung", ist sich Heinz Schnauder sicher. "Um die 1000 Kilometer müssen von Deutschland aus zurückgelegt werden. Die Gegend liegt noch hinter Grenoble. Das schreckt viele ab".


Herrliche Abfahrt

Nicht aber Heinz Schnauder, seine Ehefrau Eveline und drei Freunde des Paares, darunter ein erfahrener Bergführer. Er hat die Truppe damals, vor über 30 Jahren auf mehrere Gipfel geführt. Und eben auch zweimal auf den Barre des Ecrins. "Die Landschaft dort ist herrlich, wild-romantisch, mit hohen Alpenpässe. Das besonders Schöne am Berg selbst ist die Abfahrt. Von über 4000 Meter Höhe kann man in der Abfahrt 1000 Höhenmeter überwinden", erinnert sich der heute 86-jährige Schnauder. Dafür lohnt sich die Mühe des Aufstiegs.
Fitness ist für so eine Bergtour die oberste Devise. Schließlich geht es mehrere Tage mit Gepäck auf dem Rücken immer bergauf, bei der Abfahrt dann vollbepackt wieder talwärts. Professionelle Begleitung ist auf solchen Touren stets dabei. Doch auch wer fit ist und sich gut auskennt, kann nicht alle Gefahren ausschalten. Es ist ein Hobby, das sicher mehr Risiken in sich birgt, als viele andere.
Doch Heinz Schnauder will das Tourengehen auch nicht als klassischerweise gefährlich bezeichnen. "Es kommt darauf an, dass man nicht leichtfertig ist. Wenn es die Nacht über geschneit hat oder aus anderen Gründen Lawinengefahr besteht, muss man auch mal den Schneid haben, in der Hütte zu bleiben und den Aufstieg nicht zu wagen." Und dennoch: passieren kann immer etwas.


Risiko abwägen

Im Fall des Lawinenunglücks in der letzten Woche hat es in den Tagen zuvor zwar etwas geschneit, ob die Lawine allerdings erahnt hätte werden können, das lässt sich heute schwer sagen. "Offenbar haben die Betroffenen die Gefahr gering eingeschätzt, sonst wären sie ja nicht losgegangen." So Heinz Schnauder. Auch sein damaliger Bergführer am Barre des Ecrins ist einige Jahre später an anderer Stelle von einer Lawine verschüttet worden und starb. Ein Risiko ist eben immer dabei. "Aber das hat man auch, wenn man auf der Autobahn fährt", so Schnauder. Man muss eben abwägen.