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Störche lieben Kulmbach


Autor: Stephan Tiroch

Kulmbach, Mittwoch, 14. April 2021

Im Raum Kulmbach nisten so viele Weißstörche wie nie zuvor. Heuer hat sich die Zahl der Brutpaare verdoppelt.
Störche nisten auf dem Dach der Stiftskirche in HimmelkronFoto: Michael Krug


Neubaugebiete sind heute nicht mehr unumstritten. Flächenverbrauch und Versiegelung des Bodens sollen reduziert werden. Es gibt aber auch Neubauten, die höchst willkommen sind: Wenn die Weißstörche in luftiger Höhe ihre Nester bauen. Im Raum Kulmbach sind die imposanten Vögel heuer so fleißig wie noch nie: Die Zahl der Brutpaare hat sich verdoppelt. Es gibt neben den bisherigen Standorten fünf neue Nester. Kulmbach ist ein beliebtes Einwanderungsland für Störche geworden.

Jahrelang waren die Vögel mit einer Flügelspannweite über zwei Meter sehr selten. Im Kulmbacher Land konnte man die Nester an den Fingern einer Hand abzählen: In Melkendorf - zunächst an der Hauptstraße, dann auf dem alten Schornstein der Fassfabrik Brückner - haben die Störche eine lange Tradition. Auch in Altdrossenfeld, wo sie auf dem stillgelegten Schlot der Brauerei Schnupp ihren Nachwuchs aufziehen. Später kamen Nistplätze auf einer Scheune gegenüber der Mainro­ther Kirche, auf der Stiftskirche Himmelkron und auf dem alten Rathaus in Stadtsteinach dazu.

Vom Aussterben bedroht

Daran änderte sich auch nichts, obwohl bei den Kulmbacher Störchen regelmäßiger Bruterfolg beobachtet werden konnte. Kulmbach war nicht abgekoppelt von der Entwicklung in Bayern, wo der Weißstorch in den achtziger Jahren vom Aussterben bedroht war und seit 1984 auf der Roten Liste der bedrohten Arten stand. Flurbereinigung und Trockenlegung von Flächen zerstörten die Nahrungshabitate der Störche. Damals gab es laut Landesbund für Vogelschutz (LBV) nur noch 60 Brutpaare im gesamten Freistaat.

Die Schutzmaßnahmen zeigten Wirkung. Das Artenhilfsprogramm für die Störche konnte 2016 eingestellt werden, weil sich der Bestand erholt hatte und mit knapp 500 Brutpaaren nicht mehr als gefährdet galt. "2019 wurden 700 Brutpaare in Bayern gezählt und 750 im vergangenen Jahr", berichtet der Kulmbacher LBV-Vorsitzende Erich Schiffelholz.

Hauptstadt der Störche

Erfreut registriert nicht nur der Experte, dass sich heuer gleich fünf neue Brutpaare im Raum Kulmbach angesiedelt haben. Dabei hat sich Melkendorf zur Hauptstadt der Störche im Kreis Kulmbach entwickelt. Erstmals besetzt ist der schon vor mehr als zehn Jahren angebrachte Horst auf dem Dach von Schloss Steinenhausen. "Sehr schön, der Platz wurde bisher einfach nicht angenommen", meint Schiffelholz. Nach langer Pause wieder besetzt ist die Nisthilfe an der Melkendorfer Hauptstraße gegenüber der Kirche. Die zwei Altvögel hatten ziemlich zu tun, Äste und anderes Nistmaterial in den Eisenring einzuflechten. Sonst gab es hier keine Probleme - dafür aber bei den drei anderen Standorten.

In der Blaich war zunächst nicht klar, ob die Vögel auf dem Mönchshof-Schlot bleiben können. Dann kam Entwarnung: Der Schornstein wird nicht mehr benutzt. Umziehen mussten die Störche in Mainleus - sie hatten sich den Kamin der Schule als Brutplatz ausgesucht. "Die Nisthilfe auf dem Schuldach wurde einen Tag später angenommen, nachdem der Kamin mit einer gebogenen Haube abgedeckt worden war", so der LBV-Vorsitzende.

In der Stadtsteinacher Straße in Untersteinach ließ sich ein viertes Brutpaar auf einer gekappten Eiche nieder. "Die erste Baumbrut im Landkreis Kulmbach", erklärt der Experte. Allerdings führten direkt beim Nest Stromleitungen vorbei. Schiffelholz: "Besonders für die Jungvögel eine Gefahr bei ihren Flugversuchen." Er und Bürgermeister Volker Schmiechen sind dem Bayernwerk dankbar, das die fünf Leitungen durch ein isoliertes Kabel ersetzte. "Jetzt kann nichts mehr passieren."

Einzelgänger in Untersteinach

Fast hätte es in Untersteinach mit weiteren gefiederten Untermietern geklappt. Aber auf dem Horst, den die Gemeinde auf dem Feuerwehrhaus anbrachte, ließ sich nur ein Einzelgänger blicken. "Leider ohne Partner", bedauert der Bürgermeister. Doch der LBV-Vorsitzende ist optimistisch: "Über kurz oder lang lassen sich hier Störche nieder. Es funktioniert nicht immer sofort. In Himmelkron hat man acht Jahre gewartet."

Aber wieso ist Kulmbach so beliebt bei den Störchen? Schiffelholz nennt hier vor allem das veränderte Zugverhalten der Tiere: "Nicht mehr alle Störche ziehen auf der Westroute nach Afrika, sondern überwintern in Spanien und finden Nahrung auf Müllhalden." Ihnen bleibe also der gefährliche und kräfteraubende Flug erspart, den viele Vögel nicht überleben. "Viele Störche - heuer circa 300 - fliegen gar nicht aus Bayern weg oder fliegen nur bis zum Bodensee." Entscheidendes Kriterium sei die Verfügbarkeit von Nahrung im Winter.

Die Gründe, warum sich die Störche in Kulmbach niederlassen, seien vielfältig, so der Experte. "Ich gehe davon aus, dass ein Storch versucht, wieder dort zu nisten, wo er geboren wurde." Allerdings sei in den ersten Lebensjahren eines Storchs "viel Bewegung drin". So wisse man von einem Stadtsteinacher Storch, dass er sich zunächst im Raum Kassel-Fulda aufhielt, wo er beringt wurde. Einer der neuen Störche in der Melkendorfer Hauptstraße stamme aus Tschechien. Ferner sei bekannt, dass Störche gerne Kolonien bilden. Vor allem dort, wo das Nahrungsangebot gut ist - wie in den Flusstälern des Weißen Maines, der Steinach oder der Schorgast.

200 Hektar Futterfläche

In Kulmbach ist man auf den Zuzug weiterer Störche vorbereitet. Aktuell sind noch vier Standorte unbesetzt: auf dem Feuerwehrhaus Untersteinach, auf Privathäusern in Unterlettenrangen bei Langenstadt sowie im Schulweg und am Klosterberg in Himmelkron wäre noch Platz. "Es kann auch sein, dass wieder verstärkt Bäume oder Hochspannungsmasten als Nistplätzte dienen", glaubt Schiffelholz und spricht sich dafür aus, "alles Weitere gelassen zu beobachten". Denn: "Der Storch ist geschützt, und die Population wird irgendwann an eine Grenze kommen." Entscheidend sei, wie viel Nahrung - Hauptbeutetiere sind Mäuse - verfügbar ist: "Für ein Storchenpaar muss man 200 Hektar rechnen."

Nach Ansicht des LBV-Vorsitzenden soll der Mensch nur dann steuernd eingreifen, wenn ein Nistplatz wie auf dem Kamin der Mainleuser Schule ungeeignet ist. "Den Rest können wir getrost der Natur überlassen."