Druckartikel: Stadtplaners Sprachperlen

Stadtplaners Sprachperlen


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Donnerstag, 17. Sept. 2015

Mehr Platz im Eingangsbereich des Bahnhofs; eine geschwungene Fußgängerquerung; eine zweite Baumreihe an der Zufahrt mit einem herausragenden Einzelgehölz: Das alles hat ein Stadtplaner (der Name sei gnädig verschwiegen) in seinem Entwurf zur Neugestaltung des Bahnhofsviertels in einer oberfränkischen Stadt berücksichtigt.


Aber irgendwie klang es dem Experten wohl nicht expertisch genug. Weshalb sonst hätte er in seiner Präsentation von alledem, was oben geschrieben steht, nix gesagt, sondern folgendes: "Das Bahnhofsumfeld bekommt den Charakter eines urbanen Raumes mit hoher Aufenthaltsqualität. Die Fußgänger werden über eine spindelförmige Fahrbahninsel geführt. Das Motiv der Allee wird wieder aufgegriffen, und am Point de vue steht ein vegetatives Solitär." Achguckmaleineran! Der Point de vue ist ja, weniger aufregend gesprochen, der Blickpunkt-/fang. Kommt als vegetatives Solitär (der Deutsche nennt es Baum) ja nur die Augenweide in Frage.
Das ist dem Vokabelkönig zu präzise. Er legt schwammigen Wert darauf, dass der Vorplatz "einer Präzisierung der Bodengestaltung hinsichtlich Zonierung" bedürfe. Am besten den Ostteil zonieren, das kennt der Oberfranke ja schon aus der Geschichte.
Und wer mal in der neuen Kurzparkerzone anhalten will, kann das tun; er kann sogar jemand aussteigen lassen und weiterfahren. Das sagt man aber nicht in der Stadtplaner-Gilde, sondern: kiss-and-ride-Area. Was unweigerlich die Frage aufwirft: Wie lange darf der Kuss (vor dem Ride) ausfallen, damit er gerade noch kein kriminelles Dauerparken ist?