Druckartikel: Spritzmittel im Visier: Wie gefährlich ist Glyphosat?

Spritzmittel im Visier: Wie gefährlich ist Glyphosat?


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Mittwoch, 10. Juni 2015

Die Weltgesundheitsorganisation stuft den chemischen Wirkstoff in Herbiziden als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Der Bauernverband sieht noch keinen Anlass, auf den Feldeinsatz zu verzichten. Einige Baumarktketten hingegen haben Roundup-Produkte bereits aus den "Giftschränken" verbannt oder verkaufen Restbestände.
Spritzen gegen Unkräuter - in der Landwirtschaft gängige Praxis.


Quecken im Weizenfeld, Distelnester zwischen der Gerste: Für Landwirte sind das ungebetene Gäste auf dem Feld. Als Rausschmeißer hilft ein Stoff, aus dem unkrautfreie Ernteträume sind - Glyphosat. 1971 patentiert vom US-Konzern Monsanto, ist die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln wie Roundup gängige Praxis. Den Verdacht, die Herbizide könnten gefährliche Nebenwirkungen haben, gibt es seit längerem. Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft den Stoff nun als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Ein Grund für Landwirte, Glyphosat zu verbannen?

Bundesamt sieht keine Gefahr
Wilfried Löwinger, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands, hat eine klare Meinung: "Wir Landwirte müssen auf die behördlichen Zulassungen vertrauen, wenn es um die Freigabe von Herbiziden geht. Und hier gilt bislang die Einschätzung, dass Glyphosat in den ausgebrachten Mengen unbedenklich ist." In der Tat hat das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) eine Art Persilschein ausgestellt: "Glyphosat zeigte in zahlreichen standardisierten Tests keine Erbgut-verändernden Eigenschaften. Langzeitstudien an Ratten und Mäusen ergaben keine Anhaltspunkte für die krebserzeugende Wirkung."

Für Landwirt Wilfried Löwinger ist Glyphosat ein bewährtes Mittel beim Kampf gegen Unkräuter. "Es handelt sich bei dem, was gesprüht wird, ja um kein Bodenherbizid, sondern es wirkt rein über die Blattmasse." Das Unkraut werde nach der Behandlung braun und sterbe etwa 14 Tage später ab.

Sollte es aufgrund der jüngsten Studien möglicherweise zu einem Verbot von Glyphosat in Deutschland kommen, dann befürchtet Löwinger eine Ungleichbehandlung der Landwirte: "Ich kann nur dafür appellieren, keinen nationalen Alleingang zu bestreiten. Wenn die Verwendung untersagt wird, dann muss da EU-weit, am besten weltweit gelten. Sonst erleben wir Bauern hier wieder eine Wettbewerbsverzerrung."

Toom war der erste
Toom war der erste Baumarkt, der auf die aktuellen Warnhinweise der Weltgesundheitsorganisation (siehe oben) zu Spritzmitteln mit Glyphosat reagiert und die entsprechenden Produkte aus dem Sortiment genommen hat. Andere haben offenbar nachgezogen oder erwägen, dies zu tun.

Bei Obi in Kulmbach hieß es gestern auf Nachfrage der Bayerischen Rundschau, man führe aus vorbeugendem Gesundheitsschutz bereits seit einiger Zeit keine Mittel mehr, die Glyphosat enthalten. Beim Globus-Baumarkt soll spätestens zum 30. September Schluss sein mit dem Verkauf. Allerdings betont Marktleiter Peter Stindl, man verkaufe die restlichen Bestände bereits ab und werde auch keine Nachbestellungen für Kunden mehr tätigen.

"Dem Geschäftsführer unserer Gruppe, Erich Huber, ist als Mitglied im Handelsverbund Heimwerken, Bau und Garten sehr am Umwelt- und Verbraucherschutz gelegen. Wir sehen uns den Grundsätzen zur Nachhaltigkeit verpflichtet und nehmen die Ware deshalb aus dem Bestand, auch weil eine Schädlichkeit gegen Nutzinsekten wie Bienen nicht auszuschließen ist", erklärt Stindl. Gleichzeitig mit dem Wegfall der Glyphosatmittel hat Globus die sogenannte "Bienenweide" neu im Sortiment, wozu unter anderem verschiedene Mischungen von Wildblumensamen zählen.

Kooperation mit NABU
Der Baumarkt kooperiere hier mit dem Naturschutzbund (NABU). Dieser fordert eine Aussetzung der Zulassung für Glyphosat und eine umfangreiche Risikoprüfung des Wirkstoffs. Jüngst hatte auch die Verbraucherschutzminister-Konferenz der Länder den Bund aufgefordert, die Abgabe von Glyphosat an Privatpersonen für Haus- und Kleingärten zu verbieten.

Offiziell ist der Verkauf weiter erlaubt, ebenso die Anwendung. Allerdings bedarf es beim Verkäufer eines Pflanzenschutz-Sachkunde-Nachweises. Und auch der Kunde muss vor dem Erwerb Auskunft geben über die geplante Verwendung. Stindls Stellvertreter Heiko Schmidt betont, das Herbizid dürfe aus Gründen des Grundwasserschutzes nicht auf versiegelten Flächen sowie in der Nähe von Gewässern eingesetzt werden. Es gebe alternativ ungiftige Methoden der Unkrautbekämpfung wie etwa das Abflammen.


Glyphosat: ein Bestseller auf dem Feld und im heimischen Garten

Warnung Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheits organisation WHO führt seit März das Spritzmittel Glyphosat in der zweithöchsten Gefahrengruppe 2A mit der Bewertung "wahrscheinlich krebserregend bei Menschen". Laut WHO hatten Wissenschaftler zahlreiche Studien zu Glyphosat gesichtet und ausgewertet und eine Verbindung zu einer besonderen Blutkrebsform hergestellt.

Verdacht Kritiker sagen, schon in geringen Mengen schädige Glyphosat menschliche Embryonal- und Plazenta-Zellen sowie die DNA von Mensch und Tier. Laut Studien aus Kanada und der Schweiz stehe Glyphosat auch im Verdacht als möglicher Auslöser von Krankheiten wie Alzheimer und Diabetes.

Verwendung Glyphosat ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Phosphonate. Weltweit und auch in Deutschland ist es der meistverwendete Unkrautvernichter. Er wird in der Landwirtschaft großflächig versprüht, aber auch von Hobbygärtnern eingesetzt, wobei vor Gebrauch ein Nachweis erforderlich ist. Zwei Milliarden Dollar - so hoch wird der Umsatz geschätzt, den der amerikanische Konzern Monsanto allein mit Glyphosat-haltigen Herbiziden wie Roundup jährlich erzielt. Die aktuelle Bewertung als krebserregend weist Monsanto zurück und fordert die IARC auf, die Einschätzung zu widerrufen. "Wir stellen die Qualität der Bewertung in Frage", äußerte sich ein Unternehmenssprecher.

Produktpalette Mittlerweile ist Monsantos Patentschutz auf Glyphosat-Produkte ausgelaufen, andere Firmen dürfen ihrerseits ähnliche Spritzmittel anbieten. Allein in Deutschland sind 84 Produkte zugelassen.

Rückstände? Die Zeitschrift "Öko-Test" titelte 2012 "Gift im Korn": In Mehlen und Getreideprodukten war man auf der Suche nach Spuren des Wirkstoffs fündig geworden. Demnach war Glyphosat in fast drei Vierteln der Produkte nachweisbar. Eine Leipziger Forschungsgruppe wies nach, dass Rückstände von Glyphosat im Urin von Menschen und Tieren zu finden sind. Diesen Befund bestätigte eine 2013 veröffentlichte Untersuchung, die unter anderem vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) initiiert worden war.