Druckartikel: Sie toben, tanzen und turnen

Sie toben, tanzen und turnen


Autor: Christian Schuberth

, Samstag, 17. März 2012

Viele Vereine im Landkreis bieten Sportmöglichkeiten schon für die Kleinsten an. Beim ATS Kulmbach sind 40 Kinder in der Halle keine Seltenheit. Und immer öfter sind die Väter dabei.
Jeden Freitag von 15.30 bis 16.30 Uhr verwandelt sich die MGFG-Turnhalle in einen großen Abenteuerspielplatz. Zwischen 30 und 40 Kinder mit ihren Eltern sind beim ATS die Regel. Fotos: Monika Limmer


Angst kennt Sophie scheinbar keine. Sie balanciert waghalsig über den Schwebebalken, schaukelt lachend in den Ringen oder rutscht auf dem Hosenboden rasant eine Weichbodenmatte hinab. Und das mit gerade einmal 17 Monaten. Sophie ist zwar das Nesthäkchen, aber gleichzeitig auch die Draufgängerin beim Eltern-Kindturnen des ATS Kulmbach. Mama Sarah Milz passt natürlich immer gut auf.
Jeden Freitag verwandelt sich die neue Turnhalle des MGF-Gymnasiums in einen großen Abenteuerspielplatz. Hier werden Bänke zu Rutschbahnen umfunktioniert, da Mini-Trampolins zum Springen aufgebaut, dort Kästen zum Klettern hingestellt. Und vor allem ist viel Platz zum Herumflitzen - kein Wunder, dass gerade jetzt, wenn die Spielmöglichkeiten im Freien witterungsbedingt eingeschränkt sind, viele Familien gerne das Angebot für ihre Kleinsten nutzen. "Meine Jungs freuen sich die ganze Woche drauf", sagt Marina Kreul, Mutter der zweieinhalbjährigen Zwillinge Milan und Aaron. Auch ihre Cousins Quint (2) und Jonah Sanders (4) sind regelmäßig mit Papa Sven dabei.
Wie man überhaupt viele Väter in der Halle sieht. Ein Phänomen, "das es zu unserer Jugendzeit noch nicht gegeben hat", sagt Übungsleiter "Conny" Seehuber, der mit inzwischen 74 Jahren immer noch drei Mal die Woche in der Turnhalle steht. Genauso wie seine Frau Gisela, die am morgigen Sonntag ihren 70. Geburtstag feiert.
Seine erste Übungsstunde hat "Conny" 1956 geleitet - und im Laufe der Jahrzehnte mit seiner Frau vielen Kindern und deren Sprösslingen das Turnen beigebracht. Das hat scheinbar jung gehalten, denn ihr Alter sieht man den Seehubers nicht im Geringsten an. So denken die beiden Urgesteine - zum Glück für die ATS-Turnabteilung - auch noch nicht ans Aufhören. "So lange es Spaß macht...", sagt Gisela.

"Aus der Mode gekommen"

Die Zeiten von Turnvater Jahn sind aber längst vorbei. Turnen "ist leider aus der Mode gekommen, vor allem bei den Jungs", bedauert "Conny" Seehuber. Wettkämpfe bestreiten beim ATS nur noch die Mädchen. "Turnerische Fähigkeiten sind aber die Basis für fast alle Sportarten", sagt Andrea Rauh-Gruber (44), die gemeinsam mit Gisela, "Conny" und Margarete Schulte (74) das Kleinkinderturnen leitet. Angefangen hat Andrea vor 13 Jahren, als ihr Sohn klein war. Der betreibt heute Trampolin beim TSV 08, doch die gelernte Physiotherapeutin ist dem ATS als Übungsleiterin treu geblieben. Im Laufe der Jahre hat sie einen Blick für die Kinder entwickelt: "Man sieht schon, wenn ein Kind in die Halle läuft, ob es ein Bewegungstalent ist."
Durch das Turnen werden die motorischen und koordinativen Fähigkeiten der Kinder gefördert - natürlich auf spielerische Art und Weise. "Wir wollen den Spaß an der Bewegung vermitteln", sagt Andrea Rauh-Gruber. Zu Beginn jeder Turnstunde versammelt sie die Kinder in einem Kreis. Dann spielt sie Musik, dazu wird getanzt, manchmal dürfen die Kleinen Luftballons aufblasen oder mit Bällen spielen.
Die kleine Stella Pöhlmann interessieren Ballons oder Bälle kaum. Sie schaut sich lieber das ganze Gewusel erst einmal aus etwas sicherer Entfernung an. Stella darf das, denn sie gehört mit ihren knapp zwei Jahren zu den Jüngsten. Und die brauchen eben noch eine Weile, bis sie sich an den Trubel gewöhnt haben. "Wir haben auch schon welche gehabt, die gleich wieder schreiend aus der Halle gerannt sind", lacht Andrea Rauh-Gruber. "Für viele ist das Kinderturnen eben der erste Kontakt mit Gleichaltrigen", erklärt sie.
Und die Kinder werden immer jünger. "Das geht nur, weil die Eltern dabei sind. Daran war zu Zeiten von Kurt Steinert, der mit dem Kinderturnen beim ATS nach dem 2. Weltkrieg angefangen hat, noch nicht zu denken", blickt "Conny" Seehuber zurück.

Anstellen muss man lernen

Derweil sind die Geräte aufgebaut. Stella ist inzwischen etwas "aufgetaut" und drängelt sich am Mini-Trampolin sogar schon vor. Mama Irina ist sofort zur Stelle. "Nein, Stella, wir stellen uns hinten an." Das richtige Sozialverhalten will eben erst gelernt werden. Wobei Gisela Seehuber froh ist, dass es bei den Jüngsten "kaum Reudel oder Rabauken" gibt.
Die Werbetrommel braucht der ATS für sein Eltern-Kind-Turnen am Freitagnachmittag nicht mehr zu rühren. "Es ist ein Selbstläufer, wir sind eigentlich an der Kapazitätsgrenze angelangt", sagt Andrea Rauh-Gruber, die sich ständig neue Spiel- und Turnmöglichkeiten überlegt.
Ab einem Alter von etwa sechs Jahren sollten die Jungen und Mädchen in die richtige Turnstunde wechseln. "Irgendwann wird es den Kindern auch zu langweilig", weiß Andrea Rauh-Gruber. Natürlich hofft man beim ATS, dass ein paar Jungen oder Mädchen nach dem Kinderturnen "hängen" bleiben, doch das ist eher die Ausnahme. "Vielleicht zehn Prozent", sagt "Conny" Seehuber. Turnvater Jahns Zeiten sind eben vorbei.

Wo es überall sonst noch Eltern-Kind-Turnen im Landkreis gibt, lesen Sie am 17. März in der Bayerischen Rundschau.