"Özil ist mit der gesamten Situation überfordert"
Autor: Redaktion
Kulmbach, Montag, 23. Juli 2018
Der Rundumschlag von Mesut Özil heizt die Diskussion um Integration wieder an. W as denken Fußballer aus der Region über die Affäre um den 92-maligen Nationalspielers?
Mesut Özil ist kein Mann großer Worte, spricht er doch einmal vor Kameras, flüchtet er sich in Worthülsen. Man weiß nicht, wer dieser Mann ist, wie er tickt und was er fühlen könnte.
Aussagekräftige Statements des nun Ex-Nationalspielers gab es bislang nicht. Bis Sonntagabend. Da verschickte der 29-Jährige über Twitter ein mehrseitiges Kommuniqué, gespickt mit Frontalangriffen gegen DFB, Medien, Politik und Gesellschaft. Und verbunden mit seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft. Ein Statement, das Wellen schlägt.
Wie Özil ist auch Mesut Kimiz, Teammanager der SpVgg Jahn Forchheim, in Deutschland als Sohn türkischer Eltern geboren und aufgewachsen. Großgeworden in Hollfeld, ist er der Liebe wegen in Bamberg gelandet. Er kann zwar nachempfinden, warum sich Özil so geäußert hat, hätte aber anders reagiert. "Ich glaube nicht, dass man wirklich zwei Herzen in der Brust schlagen hat. Innerlich hat sich jeder von uns Deutschtürken für ein Land entschieden. Ich selbst fühle mich einfach mehr als Deutscher und habe deshalb auch nur die deutsche Staatsbürgerschaft."
Bei Mesut Özil sei das anders, glaubt Kimiz: "Er ist mehr türkisch, deshalb fühlt er sich wahrscheinlich auch mehr zum türkischen Präsidenten hingezogen als etwa zum Bundespräsidenten oder der Bundeskanzlerin." Das sei ja auch legitim, sagt der gebürtige Hollfelder - "wenn man kein deutscher Nationalspieler wäre. Das verkompliziert natürlich das Ganze, weil er komplett im öffentlichen Fokus steht."
Mesut Kimiz glaubt zudem, dass sein (Vornamens-)Vetter Özil keine guten Medienberater habe: "Mesut Özil spricht viel besser Türkisch als Deutsch. Deshalb hat er natürlich Probleme, bei Interviews direkt zu antworten. Er überlässt vieles lieber seinen Beratern. Nur weiß ich nicht, ob das unbedingt immer seine persönliche Meinung widerspiegelt."
Grundsätzlich sei der gebürtige Gelsenkirchner "ein guter Junge", so Kimiz, "der aber manchmal mit der Situation oder dem Hype um seine Person überfordert ist".
Für Kimiz selbst sei es ein Glücksfall gewesen, in Hollfeld aufzuwachsen: "Dort gab es nur zwei andere türkische Familien, deshalb mussten wir uns alle auch integrieren, und das war auch gut so. Integration ist für mich Geben und Nehmen."
Zenk fordert Philipp Lahm
Der Trainer des Fußball-Bezirksligisten VfR Katschenreuth, Detlef Zenk, outet sich als Fan von Mesut Özil - dem Fußballer. "Ich fand ihn auf dem Platz genial, auch wenn er nicht so der Zweikämpfer war. Wenn Hoeneß sagt, dass er seit vier Jahren nicht mehr gut gespielt hat, ist das nicht mehr sachlich." Deshalb bedauert der 56-Jährige auch Özils Rücktritt aus der Nationalelf und kann ihn nachvollziehen. Schließlich habe vor allem der DFB in der Causa versagt. "Dass der DFB die Aufarbeitung des WM-Desasters damit begonnen hat, von Özil Aufarbeitung zu verlangen, war unterirdisch. Das war vielleicht eine eine kleine Baustelle, aber Präsident Grindel hätte vielmehr fragen müssen, warum die Mannschaft nicht fit, nicht spritzig war oder warum sie gegen Südkorea nicht offensiv, sondern abwartend gespielt hat. Was Reinhard Grindel in der Özil-Affäre geleistet hat, ist inakzeptabel, dafür müsste er eigentlich zurücktreten." Özils Rassismus-Vorwürfe an den DFB sind allerdings für Zenk haltlos. Zenks Vorschlag für den DFB-Chefposten: "Philipp Lahm wäre der Richtige."
Das Bild mit Erdogan, Gündogan und Özil hat den Alladorfer "eigentlich überhaupt nicht gestört", müsse man doch den türkischstämmigen Fußballern "zugestehen, dass sie ihre Herkunft nicht verleugnen". Detlef Zenk sagt: "Mesut Özil lässt sich ja alle zwei Jahre mit Erdogan fotografieren. Und das hat vorher auch keinen interessiert. Ich glaube ihm, dass er das Bild mit Erdogan aus Respekt vor dem Präsidentenamt und nicht vor der Person gemacht hat." Außerdem gibt Zenk zu bedenken, dass Erdogan trotz aller berechtigter Kritik demokratisch gewählt sei. Nicht verstanden hat er allerdings die Aussage von Ilkay Gündogan, dass Erdogan "mein Präsident" ist. Zenk: "Denn Gündogan ist ja Deutscher."
Insgesamt bedauert Zenk, "dass die Geschichte so hochgekocht ist" und so ein gefundenes Fressen für Rechtspopulisten geworden ist. "Ich finde es schade, dass die richtig gut integrierten Deutsch-Türken jetzt in die ausländerfeindlichen Diskussionen mit reingezogen werden. Das macht das Zusammenleben zwischen Deutschen und ausländischen Mitbürgern nicht leichter."