Martin Ständner prognostiziert blecherne Zeiten
Autor: Christian Schuberth
Kulmbach, Mittwoch, 02. Oktober 2019
Der frühere Bundestrainer Martin Ständner sagt zum Doha-Debakel der deutschen Leichathleten: "Das sind die Folgen der missglückten Leistungssport-Reform."
Martin Ständner wird es "schlecht", wenn er vor dem Fernseher die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Doha (Katar) verfolgt, sagt er. Nicht, weil er krank wäre, sondern weil ihn das Geschwätz der Funktionäre des Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV), der TV-Moderatoren und mancher Athleten aufregt. "Ich höre viele krampfhafte Erklärungen und Ausreden für das schwache Abschneiden. Dabei müsste die deutsche Leistungssport-Reform, die eine absolute Zentralisierung vorsieht, doch schon in Doha richtig fruchten - wenn die Theoretiker Recht hätten."
Haben sie aber nicht, meint der Kulmbacher, der von 1991 bis 98 Bundestrainer der deutschen Hammerwerferinnen war. Im BR-Interview attestiert er den DLV-Oberen um DLV-Generaldirektor Idriss Gonschinska eine verfehlte Förder-Strategie. Der deutschen Leichtathletik prognostiziert Martin Ständner blecherne Zeiten: "Der DLV gibt so viel Geld wie nie zuvor aus, doch die Ergebnisse in Doha und bei Olympia 2020 werden so schwach sein wie nie zuvor."
Herr Ständner, haben Sie so ein schwaches Abschneiden der Deutschen in Doha erwartet? Liegt's an der Hitze?
Sie kritisieren den DLV seit Jahren für eine falsche Förderpolitik. Sehen Sie sich durch das bisherige Doha-Debakel bestätigt?
Was meinen Sie konkret damit?
Der DLV gibt inzwischen für die Förderung der Lehrgangskultur im Nachwuchsbereich keinen Cent mehr aus. Die Nachwuchs-Bundestrainer haben für ihre eigentliche Aufgabe, die Disziplinentwicklung, überhaupt keine Etats mehr und sind nur noch auf dem Papier an den Olympia-Stützpunkten geparkt. So spart sich der DLV durch Mischfinanzierungen Geld, doch der Nachwuchs-Bundestrainer ist nicht in jedem Fall der oder die fachlich beste Mann oder Frau.Was werfen Sie den Spitzenathleten vor?
Viele Athleten haben einfach die falsche Einstellung. Sprinterin Sina Lückenkemper erzählt in Interviews, dass sie ständig von ihrem Freund in Bamberg zu ihrem Verein in Berlin, zu Sponsorenterminen und so weiter pendelt. Ich frage mich, wann trainiert sie dann professionell? Wenn sie dann in Doha über 100 Meter etliche Meter hinterher rennt und dafür die Kamera im Startblock oder die heruntergekühlte Umkleidekabine verantwortlich macht, ist das nicht glaubwürdig. Diskuswerfer David Wrobel ist als Vollprofi bei der Bundeswehr nach seinem Ausscheiden "ganz zufrieden" und sagt, dass es "ein schöner Saisonausklang" war. Wie bitte? Saisonausklang hört sich nach Betriebsausflug an, aber die WM ist doch eigentlich der Saisonhöhepunkt! Sein Disziplinkollege Christoph Harting erzählt gar, dass ihm Leistungssport keinen Spaß mache, lebt aber als Sport-Polizist von Steuergeldern. Was hat so ein Mann bei einer WM verloren?Und wie sieht es im deutschen Nachwuchs-Bereich aus?