Druckartikel: Diskussion: Hände weg vom Harz?

Diskussion: Hände weg vom Harz?


Autor: Johannes Höllein, Daniel Ruppert, Martin Kreklau

Lichtenfels, Mittwoch, 14. Sept. 2016

Die internationale Handballföderation hat einen Vorstoß unternommen, das Harzen im Handball bis Ende kommenden Jahres zu verbieten.
Hat das Harz bald ausgedient? Die Handball-Experten der Region halten ein Verbot für unwahrscheinlich.  Foto: privat


Es war kein verspäteter Aprilscherz, den Hassan Moustafa bei den Olympischen Spielen verkündete und später in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung bekräftigte: "Wir werden das Benutzen von Harz weltweit verbieten", sagte der Präsident der internationalen Handballföderation (IHF). Damit beschwört der 79-jährige Ägypter nach einigen Neuerungen im Regelwerk und der Einführung der Blauen Karte die nächste große Veränderung im Handballsport herauf. Als Hauptgrund für das angestrebte Verbot führt die IHF auf ihrer Homepage an, dass das Harz an sich ein Problem darstelle: Zum einen sei es gesundheitsschädlich, zum anderen zerstöre es die Hallenböden oder mache eine kostenintensive Reinigung nötig, weshalb in vielen Hallen bereits ein Harzverbot gelte.


Selbstklebender Ball

Bevor die IHF mit dem japanischen Ballhersteller Molten einen Vertrag unterschrieb, sei die Firma beauftragt worden, das Harz-Problem zu lösen. Wie der Verband weiter mitteilt, sei für die Entwicklung eines selbstklebenden Balles bereits mehr als eine Million Dollar ausgegeben worden. Die Hoffnung sei nun, dass bis Ende 2017 ein einsatzfähiges Modell zur Verfügung steht. Dies sei auch der Zeitpunkt, zu dem die neue Regel in Kraft treten würde.
Nicholas Cudd aus Bayreuth, Ex-Trainer und -Torhüter der TS Lichtenfels in der Bezirksoberliga und jetzt beim TV Helmbrechts aktiv, hält nichts von einem Verbot: "Ein Harzverbot würde dem Handball einiges an seiner Faszination nehmen, etwa das breite Wurfrepertoire wie Dreher, Handgelenkswürfe oder ordentlich ausführbare Schlagwürfe, die es nur in dieser Sportart gibt. Prinzipiell sehe ich einige Regeländerungen, darunter vor allem das geplante Harzverbot und die bereits umgesetzte Sieben-Feldspieler-Regel als gravierenden Eingriff in die ursprüngliche Struktur des Handballspiels an." Cudd glaubt aber nicht, dass sich ein Harzverbot durchsetzen ließe: "Da werden sich vor allem die höherklassigen Vereine dagegen wehren. Zudem wird die Technologie in ein paar Jahren Alternativen zum jetzigen ,Klebstoff' finden", sagt Cudd. Für Torhüter hätte das Verbot sogar Vorteile, wie der ehemalige Lichtenfelser Trainer sagt: "Aus der Torwartperspektive gesehen, würde das Harzverbot das Wurfrepertoire einiger Spieler einschränken, und es wäre für uns leichter Bälle zu halten, da beispielsweise viele Schlagwürfe über das Tor gesetzt werden, was man immer wieder in der Landesliga beobachten kann - denn dort gibt es keine einheitliche Regelung zum Thema Harz."


Verbot? Unwahrscheinlich.

Auch Volker Schneller, Ex-Nationalspieler, Feldhandball-Weltmeister sowie mehrfacher deutscher Meister als Spieler und Trainer, glaubt nicht, dass ein Verbot zu Stande kommt: "Die Bedenken, die Herr Moustafa hat, sind nicht vom Tisch zu wischen, zumal ich als Trainer vor allem Ende der 80er-Jahre miterlebt habe, wie sich Reinigungskräfte massiv darüber beschwerten, dass sie die Hallenböden nur noch mit Hilfe von Aceton sauber bekamen und dabei Atemschutz tragen mussten. Aber ich bin auch Realist. Moderner Handball ist ohne Harz nicht denkbar."
Der 77-Jährige ist davon überzeugt, dass das Niveau sinken würde, was wiederum auch Auswirkungen auf Zuschauerzahlen und Sponsoren haben könnte. "Viele kommen zum Handball aufgrund der Finessen und Kabinettstückchen, die ohne Harz in dieser Form nicht möglich wären. Für die Spieler wäre das eine extreme Umstellung, die sicher ein bis zwei Spielzeiten in Anspruch nehmen würde. Und selbst danach wäre der Handball ein anderer." Ein selbstklebender Ball könne dem nicht entgegenwirken.
Schneller kommt aus einer Zeit, als Handball noch ohne Hilfsmittel und von März bis Oktober draußen bei Wind und Wetter gespielt wurde und in der Ballbehandlung mehr Fertigkeiten verlangte als heute. "Mit dem Einsatz von Harz - auch im Jugendbereich - gingen viele Fähigkeiten verloren. Aber es brachte eben auch Vorteile im Wettkampf. Der Trend hat uns überrollt, und irgendwann kam keiner mehr ohne aus."


Harzverbot bis zur BOL

Die Spieler kleben sich schon vor dem Spiel eine großen Batzen Harz an die Außenseite ihrer Schuhe, um während des Spiels nicht ständig für Nachschub an die Auswechselbank rennen zu müssen. In den unteren Handball-Ligen wären die Auswirkung weitaus weniger spürbar, zumal bis zur Bezirksoberliga - zumindest in Deutschland - überhaupt nicht geharzt werden darf. In den Klassen darüber entscheidet letztendlich der Hallen-Betreiber, ob der Einsatz gestattet wird.
Zur Abstimmung kommt das Harzverbot beim IHF-Kongress im kommenden Jahr. Sprechen sich die Verbände der 181 Mitgliedsstaaten dafür aus, wäre das Spielen mit dem Kleber verboten - in allen Klassen.