Der BLSV wolle in dieser besonderen Krisensituation seine Vereine und Fachverbände bei der Abwendung finanzieller Schäden bestmöglich unterstützen. "Um möglichst schnell eine erste Vorstellung von den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu bekommen, haben wir direkt nach Bekanntgabe der Notfallpläne ein Online-Meldesystem gestartet, in dem Sportvereine und Sportfachverbände ihre zu erwartenden finanziellen Einbußen hinterlegen können", nennt Engelhardt ein Beispiel. Bis zum vergangenen Freitag hätten bereits rund 1000 Sportvereine und Sportfachverbände das Meldesystem in Anspruch genommen, Tendenz stark ansteigend.
Dabei sei sehr schnell deutlich geworden, wo die drängendsten Probleme in dieser gesellschaftlichen Krise liegen. "Die Schwerpunkte der Rückmeldungen bewegen sich aktuell in den Bereichen Liga-, Sport- und Trainingsbetrieb, laufender Betrieb der Sportanlagen sowie Kosten für Übungsleiter, Betreuer und Trainer."
Wie hoch wird der finanzielle Schaden geschätzt?
Aufgrund der ersten Erkenntnisse geht der BLSV jetzt schon von einem geschätzten Schaden von insgesamt mehr als 200 Millionen Euro für den organisierten Sport in Bayern aus. Engelhardt: "Wir raten allen bayerischen Vereinen und Fachverbänden, sich in das digitale Meldesystem einzutragen und dort die zu erwartenden finanziellen Einbußen zu hinterlegen."
Was sollen Vereine machen, wenn ein Sponsor nicht mehr zahlen will?
Bei Sponsoringeinnahmen gelte derselbe Grundsatz wie beim Umgang mit Startgeldern beziehungsweise Teilnehmergebühren. Entfällt die Pflicht zur Leistung, in diesem Fall die Werbeleistung, dann entfalle auch die Pflicht zur Gegenleistung. Bereits vereinnahmte Sponsoringeinnahmen sind dann - gegebenenfalls anteilig - zurückzuzahlen.
"Aufgrund der außergewöhnlichen Situation sollten die Vereinsverantwortlichen allerdings auf die Sponsoren zugehen und um Entgegenkommen werben." Werden die Veranstaltungen nachgeholt, bleibe es bei der Leistungserbringung durch den Verein und es bestünde keine Notwendigkeit, vereinnahmte Sponsoringgelder zurückzuzahlen.
Welche Konsequenzen kann die Corona-Krise für die Vereine haben? Rechnet der BLSV mit Insolvenzen?
Eine Aussage hierzu sei zum aktuellen Zeitpunkt reine Spekulation. "Unser oberstes Ziel ist, drohende Insolvenzen und bleibende Schäden am bayerischen Sportsystem zu vermeiden", betont Engelhardt.
Aufgrund der bislang sehr hohen Anzahl an Rückmeldungen und dem zu erwartenden alarmierenden Schadensvolumen in Millionenhöhe benötige der BLSV von der Politik dringend ein finanzielles Hilfspaket für seine Sportvereine und Sportfachverbände.
Welche Vereine sind möglicherweise mehr gefährdet? Gibt es sportartspezifische Unterschiede?
Da die Corona-Pandemie die gesamte Gesellschaft und auch alle Sportvereine, Sportfachverbände und Sportarten in ganz Deutschland vor enorme Herausforderungen stellt, sei ein kompletter Überblick zur Lage in den bayerischen Sportvereinen zum aktuellen Zeitpunkt noch gar nicht möglich. "Wir fahren momentan ,auf Sicht' und versuchen, tagesaktuell zu reagieren und Lösungen zu erarbeiten. Somit lassen sich diese Fragen momentan noch nicht beantworten, auch eine verlässliche Zukunftsprognose ist derzeit nicht möglich."
Kann den Vereinen beispielsweise auch mit einer Art Rettungsschirm geholfen werden?
Gemeinsam mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und dem organisierten Sport in den anderen Bundesländern habe der BLSV an die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern appelliert, im Sinne der Sportvereine und Sportfachverbände zu handeln. "Gerade in dieser schwierigen Zeit benötigen wir schnellstmöglich staatliche Unterstützung in Form eines finanziellen Hilfspaketes, um die Existenz unserer Sportvereine und Sportfachverbände zu sichern", appelliert Engelhardt an die Politik, den Sport zu unterstützen.
An welche Stellen können sich Vereine bei Fragen und Anliegen wenden?
"Wir versorgen unsere Mitglieder und Sportler bestmöglich mit Informationen, wie etwa mit aktuellen FAQs auf unserer Website www.blsv.de/coronavirus, mit Mailings an unsere Sportvereine und Sportfachverbände sowie mit Informationen auf unseren Social-Media-Kanälen", sagt Engelhardt. Außerdem steht das BLSV Service-Center unter der Mailadresse service@blsv.de und unter der Telefonnummer 089/15702400 für Rückfragen zur Verfügung. Die zuständigen Fachbereiche im BLSV gehen unter diesen erschwerten Bedingungen an die Belastungsgrenze, um bestmöglich zu unterstützen.
Sport in der Gruppe ist aktuell verboten. Ist das Vereinsmitglied trotzdem weiterhin versichert?
Ja, denn der BLSV hat mit dem Versicherungskonzern ARAG einen Sportversicherungsvertrag abgeschlossen. Der Vertrag versichert Vereine bei der Durchführung des satzungsgemäßen Vereinsbetriebes sowie die Mitglieder bei der Teilnahme und sei für alle Mitgliedsorganisationen des Verbandes Bestandteil des Beitrages. Die Sport-Unfallversicherung greife bei einem Unfall, zum Beispiel bei der Sportausübung oder auf dem Weg zu einer Vereinsaktivität und stehe ergänzend zur privaten Vorsorge zur Verfügung. Versichert sind zum Beispiel Einkaufshilfen für bedürftige Menschen oder Teilnahmen an Online-Angeboten der Vereine. Auch das individuelle Sportprogramm von Leistungssportlern ist, sofern vom zuständigen Vereinstrainer angeordnet, versichert. Weiterhin geduldete Aktivitäten auf Sportanlagen fallen ebenfalls unter den Versicherungsschutz. Dazu zählt zum Beispiel die Instandhaltung der Sportanlage sowie die Pflege und das Bewegen von Pferden auf der Vereinsanlage.
Professor Markus Kurscheidt macht sich Sorgen um kleine Klubs
Die Folgen des Lockdown im Zuge der Corona-Krise für große und kleine Vereine werden gravierend sein, meint Prof. Dr. Markus Kurscheidt von der Universität Bayreuth. "Nur wenn was los ist, wird Geld verdient", sagt Kurscheidt. Große Probleme sieht er für den Breitensport.
Können kleine Vereine weiter bestehen?
Markus Kurscheidt: Die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Breiten- und Freizeitsport sind zum jetzigen Zeitpunkt noch schwer abzuschätzen. Manche Dorf- und Stadtteilvereine werden sich mit unlösbaren Finanzlagen konfrontiert sehen. Viele kleinere Sponsoren werden sich aufgrund eigener Wirtschaftsprobleme zurückziehen. In den höheren Amateurklassen wird man keine Aufwandsentschädigungen mehr an Spieler zahlen können. Teilweise könnte der Spielbetrieb in Gefahr geraten, weil die Klubs nicht mal mehr die Reisekosten zu Auswärtsspielen bestreiten können. Eine massive Konsolidierung in den vielen Spielklassen des Breitensports ist nicht ausgeschlossen. Allerdings haben die Regionalverbände und Städte diverse Instrumente, um Härten in dieser Situation abzufedern. Ich befürchte dennoch, dass eine nennenswerte Zahl an Vereinen die Krise nicht überstehen wird.
Wie hoch schätzen Sie die Einbußen aufgrund der Corona-Krise ?
Es hängt alles davon ab, wie lange wir den sogenannten Lockdown fast aller gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten aus medizinischen Gründen noch durchhalten müssen. Einen Anhaltspunkt bieten die Erfahrungen aus China, wo die Pandemie begonnen hat.
Dann müssen wir von einem weitgehenden Stillstand von mindestens zwei Monaten ausgehen. Für die deutsche Sportwirtschaft dürften die Einbußen bei einem Gesamtvolumen bis zu 15 Milliarden Euro liegen.
Wird sich der Sport als Unterhaltungsevent nach Corona verändert haben?
Ich erwarte keine gravierende Veränderung des Geschäfts- und Unterhaltungsmodells im Profisport. Die Corona-Krise ist aber definitiv eine Zäsur im erfolgsverwöhnten Spitzensport. Zuletzt haben die Verantwortlichen ungewohnt oft vom "Kulturgut" Fußball gesprochen, während vorher mehr vom "Premiumprodukt" und der "Marke" die Rede war. In diesen Tagen müssen alle schmerzlich feststellen, dass das Sportbusiness immer noch beim Wettkampf und den sportlichen Werten auf dem Platz beginnt - und zwar mit der Atmosphäre durch die Fans und nicht in Geisterspielen wie im TV-Studio. Ich erwarte und hoffe, dass diese heilsame Erfahrung sich auch in verbesserten Beziehungen zwischen den Sportfunktionären und den Fans niederschlägt.