Spielend zum Einsatz bei der Kulmbacher Feuerwehr
Autor: Jochen Nützel
Kulmbach, Donnerstag, 02. März 2017
Kreisbrandmeister Jürgen Hochgesang hat eine lange und besondere Beziehung zu den Kulmbacher Helfern - auch im kleinen Maßstab 1:87.
Sein Arbeitgeber kommt auch kurz ins Bild (rein zufällig natürlich): ein Telefondienstleister mit Sitz in Bonn und dem Anfangsbuchstaben T in einem gewissen Magenta-Farbton. Zwei Transporter rangieren vor der Einfahrt zum Umspannwerk, bringen Nachschub für die Straßenbaustelle dort. Jetzt aber stören sie. Jürgen Hochgesang rüttelt kurz an den Fahrzeugen und macht so Platz für den Löschzug, der wegen des Feuers in der Häuserzeile gegenüber anrückt. Brandbekämpfung aus der Vogelperspektive - eine Welt im Maßstab 1:87 und ein Modellbaufan als Kreisbrandmeister machen es in Kulmbach möglich.
Spielend die Einsatzgebiete der Feuerwehr erkunden - da steckt auch ein bisschen kindliche Freude, aber vor allem fachliche Methodik dahinter. "Wir können hier nahezu jedes Szenario simulieren", sagt Jürgen Hochgesang und zieht die Drehleiter ein Stück weiter aus - ob Gasleck in der Straße, Fabrikbrand, Feuer in der Altstadt oder Ammoniak-Unfall auf der (überdachten!) Kunsteisbahn.
Aus dem Dach eines Reihenhauses "qualmt" es in Form von gerußter Watte. Die komplette Alarmierungskette lässt sich auf wenigen Quadratmetern nachstellen. Reicht ein Tanklöschfahrzeug, oder müssen es doch zwei sein? Kommen alle Fahrzeuge problemlos an den Brandherd? "Manche Kameraden staunen, wenn sie mal maßstabsgetreu vor Augen geführt bekommen, welche Ausmaße so ein kompletter Löschzug hat."
Seit fast 20 Jahren dabei
Der 46-Jährige lächelt, greift in die Kiste mit den Modellautos und stellt weitere Vehikel in die Reihe. Ehrensache, dass alle im Eigenbau an die real vorhandenen Fahrzeuge angepasst und mit dem typischen gelben Streifen der Feuerwehr Kulmbach versehen sind. Seit fast 20 Jahren gehört der Kulmbacher selber zu den Floriansjüngern. Die abgelaufenen zwölf Monate hakt er unter der Rubrik "überschaubar" ab. Zum Glück keine großen Brände - aber leider viele und zudem teils schwere Verkehrsunfälle. Bei einem war er selber dabei, wenn auch nicht "in der ersten Reihe", wie er betont: Es handelt sich um die Kollision, die sich im November auf der B289 ereignete; dabei geriet ein Coburger auf die Gegenfahrbahn und stieß frontal mit dem Wagen eines Paketzustellers zusammen. Die Unfallstelle mit den beiden Schwerstverletzten bot ein schreckliches Bild für die Einsatzkräfte.
"Bei etwa 15 solcher Crashs mit Todesfolge musste ich leider schon vor Ort sein", sagt der 46-Jährige. Und mit leiser Stimme ergänzt er: "Es gibt Tage, da sagt mir mein Gefühl: Es geht nicht, ganz vorne dran zu sein. Dieses Recht wird übrigens jedem bei uns eingeräumt, wir sind ja keinen Maschinen. Und dann gibt es wieder Tage, da macht es einem weniger aus. Das lässt sich freilich nicht rational erklären."
Nach einer Alarmierung per SMS macht es Jürgen Hochgesang auch immer ein Stück weit davon abhängig, wie schnell er am Ort des Geschehens sein kann - und ob überhaupt. Das kommt auch darauf an, um welche Art Einsatz es sich handelt. Als Mitglied in der Tiefbau-Abteilung des besagten großen Kommunikationsunternehmens arbeitet er von Bayreuth aus, er muss also immer eine knappe halbe Stunde Anfahrt einkalkulieren. "Ich habe Gleitzeit und kann die ausgefallenen Stunden bei Bedarf nachholen. Aber wegen eines Schwelbrandes, der binnen fünf Minuten gelöscht ist, brauche ich mich nicht auf die Socken machen. Da sind genügend Helfer vor Ort, die es in der notwendigen Zeit schaffen."
Jugendliche gesucht
Apropos Helfer: Auf etwa 100 Aktive schätzt der Kreisbrandmeister den aktuellen Stand, davon knapp zehn Prozent Frauen. "Es fehlt uns momentan die Jugend", sagt er und deutet dabei wieder auf die Modelle. Den Nachwuchs spielend für die Feuerwehr begeistern, das will er. "Kaum ein anderes Ehrenamt bietet so viel verschiedene Möglichkeiten, Menschen beizustehen und ihnen aus schwierigen Situationen zu helfen." Derzeit sind es noch drei bei den Unter-18-Jährigen, die regelmäßig kommen. Daher planen der Kulmbacher und die anderen Verantwortlichen der Feuerwehr für den 23. September einen Tag der offenen Tür speziell für Jugendliche ab zwölf Jahren.
Heute Einweihung
Jürgen Hochgesang selber betont, dass er den Schritt zur Feuerwehr nie bereut habe. "Wo sonst kann man mit kleinem und großem Gerät hantieren?" fragt er. Dann greift er zu einem Mini-VW. Einen Tiguan in Originalgröße und nicht Magenta-, sondern Feuerwehr-Rot darf er heute mit einweihen. Es ist das neue Einsatzfahrzeug für den Brandmeister vom Dienst, der damit künftig zu den buchstäblichen Brennpunkten in Stadt und Landkreis fährt. Brennpunkte, die womöglich die Feuerwehrkollegen vorher bereits im Modell durchgespielt haben...Summe Insgesamt 323 Einsätze listet die Feuerwehr Kulmbach für das vergangene Jahr. Die letzten beiden beziehen sich auf den Silvestertag: ein größerer Wasserrohrbruch in der Albert- Ruckdeschel- Straße sowie ein Scheunenbrand in Neumühle.
Unfälle Kaum schwere Brände, dafür einige zum Teil schwere Verkehrsunfälle führt die Bilanz auf, unter anderem ein Frontalzusammenstoß auf der B 289 mit zwei Schwerstverletzten. Die Palette der Einsätze reicht von der Vollsperrung einer Straße wegen einer Veranstaltung über das Öffnen einer Wohnungstür bis hin zum Löschen eines Lagerfeuers.