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Spendenmarathon von Not nach Elend und zurück


Autor: Jochen Nützel

Kulmbach, Freitag, 13. Mai 2022

Geben Sie noch - oder spenden Sie schon?
Einzelspenden sind seltener - oft wird direkt langfristig und vom schlechten Gewissen abgebucht.


Die Frau im TV fuhr mich an: "Spenden Sie jetzt!" Mich erinnerte das an die alten 0190-Nummern-Clips und dieses fordernde "RUF MICH AN!" der

Telefonistinnen, die sich nicht mal vernünftige Anziehsachen kaufen konnten. Ein Angstreflex ließ mich die Nummer notieren. Zehn Euro linderten die größte Not, hieß es. Es ging um Kegelclubrobben auf Sylt oder so. Da ich tieraffin bin und schon in einschlägigen Spenden-Abbuch-Vereinen registriert, ließ ich mich fast vorschnell hinreißen.

Gut, dass ich es nicht getan habe, denn tags darauf ermahnte mich eine Organisation, deren Name wie "Grenzen ohne Ärzte" klang: Ich solle mein Herz für Sambia entdecken! Okay, hab' ich mich in die Spur begeben.

Wie ein Landvermesser des 19. Jahrhunderts durchschritt ich meinen doch überschaubaren Wissenskosmos zu Afrika, blies den Staub vom Diercke-Weltatlas und suchte im Internet. Da wurde mir bei der Lektüre klar: Sambia? Mindestens genauso schlimm steht es um Mali, Äthiopien,

Somalia. (Und da ist die Ukraine noch gar nicht auf dem Schirm.)

Plötzlich wird man gewahr, welche brutale Kugel unser Planet doch ist. Wer als Suchbegriff Hunger/Armut/Flucht eingibt, bekommt mehr Einträge ausgespuckt, als Menschen auf dem "schwarzen" Kontinent leben. In 100 Ländern herrschen weltweit genau jetzt Krieg oder kriegsähnliche Zustände, oft seit Jahrzehnten.

Sind wir uns dessen bewusst? Nehmen wir das wahr? Kaum, denn Luanda in Angola war eben nicht Mariupol und der Völkermord in Ruanda an den Tutsis mit mehr als 800.000 Toten interessierte uns nicht die Kaffeebohne (nicht mal die Börsen brachen ein). Es gibt halt Erdlinge, Konsumenten und Handelspartner - wir können da trennen.

Daher habe ich für mich beschlossen: Ich spende für die Robben. Die schlachten sich wenigstens nicht gegenseitig ab.