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"Soko Tierschutz" legt in Sachen Schlachthof Kulmbach nach


Autor: Alexander Müller

Kulmbach, Freitag, 10. Dezember 2021

Ein Facebook-Post verärgert OB Lehmann - und die Tierschützer sehen in der Anzeige der Stadt eine Eskalation.
Der Kulmbacher Schlachthof ist Anlass für eine Auseinadersetzung zwischen "Soko Tierschutz" und der Stadt Kulmbach. Foto: Romy Denk


Verstörende Aufnahmen aus dem Kulmbacher Schlachthof hatten im Juni bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Damals hatte die Tierrechtsorganisation "Soko Tierschutz" die Bilder über die Fernsehsendung "Report Mainz" öffentlich gemacht.

In der Folge hatte es auch wechselseitige Anzeigen gegeben: "Soko Tierschutz" hatte die Stadt Kulmbach als Betreiberin des Schlachthofs wegen Verstößen gegen den Tierschutz angezeigt - die Stadt wiederum hatte die Vorstandsmitglieder von "Soko Tierschutz" angezeigt, weil sie für die Veröffentlichung der Filmmaterialien verantwortlich waren. Nach Auskunft der ermittelnden Staatsanwaltschaft Bayreuth ist vor Jahresende mit keinem Abschluss des Verfahrens zu rechnen.

Anfang der Woche postete "Soko Tierschutz" nun auf seiner Facebookseite einen Beitrag unter der Überschrift "Bürgermeister Lehmanns 'Rache'". Darin heißt es unter anderem: "Nun nach fast sechs Monaten und konstanter kritischer Berichterstattung um das Weiter so in Sachen Erstickungsfolter, hat der Bürgermeister nichts besseres zu tun als den gesamten Vorstand von Soko Tierschutz anzuzeigen. Und zwar wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch die Veröffentlichung der Aufnahmen einer Kamera, die auf den im Betrieb verbotenen Elektroschocker ausgerichtet war."

Bisher keine Anzeige des OB

Die Stadt Kulmbach teilt dazu mit: "Die Anzeige, verfasst und an die Staatsanwaltschaft Bayreuth verschickt am 10.06.2021, stammt von Oberbürgermeister Ingo Lehmann als gesetzlicher Vertreter der Stadt Kulmbach. In dieser Anzeige hat der Oberbürgermeister nie den zitierten ,höchstpersönlichen Lebensraum' erwähnt. Es wurde lediglich gegen das Vorgehen der Tierschützer (in diesem Falle "Anzeige gegen Unbekannt") und Anzeige gegen Soko Tierschutz erstattet und in diesem Rahmen erfolgte eine Auflistung der einzelnen Vorgänge (mehrfaches Eindringen in den Schlachthof und Anbringen von Kameras durch Tierschützer, Förderung und Billigung dieser Aktivitäten durch Soko Tierschutz). Obwohl Herr Lehmann als Privatperson auch vermehrt beleidigt, diffamiert und auf das Übelste beschimpft wurde - sowohl in Briefen als auch auf seinen privaten Social Media-Kanälen, hat er dagegen keine rechtlichen Schritte eingeleitet."

Jedenfalls bis jetzt nicht. Oberbürgermeister Ingo Lehmann (SPD) behält sich inzwischen rechtliche Schritte vor, wie er im Gespräch mit der Bayerischen Rundschau erklärte. Grund dafür sind die Kommentare unter dem Post auf der Facebook-Seite von "Soko Tierschutz". Da wird von Aktionen fantasiert wie der, den Oberbürgermeister mit Tierblut zu übergießen - und dort sind auch unverhohlene Gewaltandrohungen zu lesen.

Warum "Soko Tierschutz" diesen Post jetzt erst abgesetzt hat, erklärt Friedrich Mülln von der Tierschutzorganisation. Die drei Vorstandsmitglieder haben erst Ende November einen Anhörungsbogen der Polizei erhalten, wie er sagt. Ein entsprechendes Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, ist auf den 17. November datiert. Darin ist auch der mutmaßliche Straftatbestand, nämlich "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen", konkret benannt.

In dem betreffenden Paragrafen 201a im Strafgesetzbuch heißt es: "Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht." Der Strafrahmen bewegt sich zwischen einer Geldstrafe und einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren.

Die Stadt Kulmbach betont, in ihrer Anzeige seien nur die Vorkommnisse gelistet. Der Straftatbestand sei darin nicht festgehalten gewesen. Was wiederum Friedrich Mülln kritisiert: "Wenn man Anzeige stellt, dann sollte man natürlich schon wissen, welchen Straftatbestand man drei Menschen vorwirft." Er findet "das Verhalten der Stadt ohnehin sonderbar." Die Anzeige selbst sieht Mölln gelassen: "Es gab ein überragendes öffentliche Interesse, strafbare Handlungen im öffentlichen Bereich - und auf dem Material waren die Personen unkenntlich gemacht."

Der Tierschützer sieht das Vorgehen der Stadt als Eskalation. Bisher habe man nur beobachtet - jetzt werde man handeln. Für kommenden Mittwoch ist in Kulmbach eine Protestaktion geplant - die Genehmigung dafür wird gerade eingeholt.