Silvestergala in der Kulmbacher Petrikirche: Stille Auszeit in der Hektik der Zeit
Autor: Horst Wunner
Kulmbach, Dienstag, 01. Januar 2019
Eine gekonnte Symbiose aus Musik, Gesang und Architektur bot das Vokalensemble "TonART" in der Petrikirche.
Man muss sie live erleben, diese wunderbare Symbiose von Musik, Gesang und großartiger Architektur. Diese erhabene Stille, die Kontemplation und das Geborgensein, ehe zur Silvestergala die fulminante Rieger-Orgel, ein gediegenes Vokalensemble und ein brillanter Saxofonist die Petrikirche zu einem musikalisches Leuchtfeuer erhellten, das Herzen erfüllt mit weitem Nachklang.
Die Zuhörer strömten zuhauf
Der traditionelle kirchliche Jahresabschluss ist gleichermaßen Innehalten von all der Hektik, Balsam für die Seele und sich Einvernehmen lassen von der Muse. Das wissen die Kulmbacher und die Menschen aus der Region, strömten wieder, etwa 800, zum Gotteshaus am Fuße des Burgbergs zu einer Stunde, wo draußen Nacht herrschte und drinnen die Freude am Tonalen. In inspirierender Beredsamkeit schuf der Spiritus Rector Ingo Hahn eine durchgängig sakrale Stimmung und ein konzertantes Erlebnis, da sein Vokalensemble "TonART" sanft, nahezu behutsam artikulierte, wie mit einem Zentimeter genauen Maßband das Gotteshaus füllte und das alles ins leicht Sphärische rückte.
Der Kirchenmusikdirektor wusste Schweres und Behändes gleichermaßen ins rechte Licht zu rücken. Herrlich diese hingehauchten Passagen, die mit subtilen Ausdruck extrem bereicherten. Es war phasenweise ein zartes Dahinschreiten mit eleganten Ausfallsschritten. "Cantate Domino" von Karl Jenkins und "Peace I will leave with you" von Knut Nystedt wurden fulminant aneinander strömend intoniert, "Viva la musica" war eine Verbeugung vor der Kraft und Freude des Gesangs. Und bei "In dulci jubilo" drang Klangfarbe pur vier- bis siebenstimmig ins Publikum, die Vokale wie kleine Kostbarkeiten geformt.
A cappella ordentlich zu singen ist eine Kunst, da ist nix mit Technik regulierbar, die Interpreten und der Chorleiter sind die einzig Verantwortlichen. Und da dürfen sich die zwölf Sängerinnen und Sänger zumindest eine kleine Krone aufsetzen. So detailliert, homogen und flüssig oktavenversetzt pulsierte die Sangeslust. Wen "Weit, weit weg" von Hubert nicht ergriffen hatte, der muss aus Eisen sein.
Der Schmerz der Welt
Allen Schmerz dieser Welt hinausgeflüstert, dennoch Erlösung und das Schöpfen aus neuer Kraft versprechend, vermochte "TonART" der Seele Schwingungen zu verleihen, gesäumt von tiefdunklen Nuancen bis zum hohen C. In der Volksweise "Amazing grace" brillierte Solo-Sopranistin Natalia Wünsche. Dann setzte sich Ingo Hahn an die Orgel, neben ihm der famose Saxofonist Johannes Neuner, zusammen ein kongeniales Paar, qualitätsstark und niveaureich. Der Instrumentalist aus Waischenfeld, schon mit den Bamberger Symphonikern und dem Orchester des Staatstheaters in München unterwegs, handhabte sein Instrument in punktueller Perfektion. Ob "Chanson et Passepied" der Französin Jeanine Rueff oder die "Aria" von Eugène Bozza, das "Allegro" kam im schwungvollen 3/4-Takt tänzerisch und ein bisschen walzerartig daher. Mit der "Romance pastorale" von Wolfram Graf setzten beide unten im Altarraum, Hahn diesmal am Keyboard, ganz nah dem faszinierten Publikum noch einen Fixpunkt: prachtvolle Ausschmückung und lang anhaltende stringente Läufe.
Als dann "TonART" zum Finale kam mit "Tollite hostias" von Camille Saint-Saens, klang das so hoffnungsfroh und aufmunternd, dass 2019 einfach gut werden müsste. Das Vokalensemble, Ingo Hahn und Johannes Neuner gaben dafür die Richtung vor, sonnten sich schließlich im Beifall en masse, der sogar die massiven Kirchenmauern durchdrang.